Insektenspray – beim Kauf jetzt besser beraten?

Pressemitteilung vom
Selbstbedienungsverbot für Biozidprodukte: Verbraucherzentrale NRW und PAN-Germany machen den Test
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Seit Januar dürfen Insektizid-Sprays beispielsweise gegen Motten, Mücken oder Ameisen nicht mehr frei zugänglich in Geschäften angeboten werden. Nun müssen Verbraucher:innen vor dem Kauf solcher und weiterer Biozidprodukte durch sachkundiges Personal beraten werden, sowohl in Geschäften als auch im Online-Handel. Das regelt die 2021 beschlossene Biozidrechts-Durchführungs­verordnung (ChemBiozidDV). Einige Monate nach dem Start der Beratungspflicht haben die Verbraucherzentrale NRW und das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN-Germany) geprüft, was sich beim Kauf eines Insektensprays verändert hat. Ergebnis: „Die Neuregelung zeigt Wirkung und trägt damit zum Verbraucherschutz bei. Doch bei der Beratungsqualität ist noch Luft nach oben. Außerdem entschärften einige Hersteller die Rezeptur, um Schlupflöcher nutzen zu können. Deshalb sehen wir eindeutig noch Verbesserungsbedarf“, so Kerstin Effers, Expertin für Umwelt und Gesundheitsschutz der Verbraucherzentrale NRW.

Im März und April haben Mitarbeitende der beiden Organisationen in 17 Städten in NRW sowie in Hamburg stichprobenartig Drogerie- und Supermärkte sowie Raiffeisen-, Bau- und Gartenmärkte aufgesucht. „Die gute Nachricht: Beratungspflichtige Produkte wurden in den großen Drogerie- und Supermarktketten aus dem Sortiment genommen. In keinem der mehr als 130 besuchten Geschäfte standen solche Insektizid-Sprays einfach zur Selbstbedienung im Regal“, berichtet Effers.

Wirkstoffe von Insektensprays bergen Gesundheitsgefahren

Zum Hintergrund: Problematisch bei Insektensprays sind der Hilfsstoff PBO (Piperonylbutoxid) und die als Wirkstoffe eingesetzten Pyrethroide. „Es gibt Hinweise, dass einige dieser Substanzen möglicherweise schädigend auf das Hormonsystem oder auf die Entwicklung des Nervensystems wirken können“, erläutert die Chemikerin. Wenn die Substanzen erst einmal im Haus versprüht wurden, bleiben sie oft ein Jahr und länger in der Wohnung und sind auch nur schlecht mit Wasser zu entfernen. „Viele Menschen, darunter auch Kindergartenkinder in NRW, sind nachweislich mit diesen Wirkstoffen belastet“, so Effers. Bei Katzen können Pyrethroide zu schweren Vergiftungserscheinungen bis hin zum Tod führen. „Deshalb gehören solche Mittel in die Hände ausgebildeter Schädlingsbekämpfer:innen. Zudem gibt es in vielen Fällen unschädlichere Alternativen zur Insektenbekämpfung.“

Herstellertrick: „Neue“ Sprays werden als Abwehrmittel deklariert

Die Marktstichprobe zeigte jedoch auch eine Gesetzeslücke auf: „Wir konnten feststellen, dass Hersteller ,neue‘ Insektensprays auf den Markt gebracht haben, die jetzt nicht mehr als Insektenvernichter (Insektizide), sondern als Abwehrmittel (Repellenzien) deklariert sind“, so Kerstin Effers. Abwehrmittel sind vom Selbstbedienungsverbot und der Beratungspflicht ausgenommen. Als Wirkstoff dürfen die Hersteller darin dann zwar keine synthetischen Pyrethroide und PBO verwenden, weil diese in Abwehrmitteln nicht zugelassen sind, dafür aber Chrysanthemenextrakt, der chemisch verwandte, natürliche Wirkstoffe, sogenannte Pyrethrine, enthält. „Pflanzlicher Naturstoff klingt erst einmal harmlos, aber auch dieser Pflanzenextrakt kann Insekten nach dem gleichen Wirkmechanismus töten wie Pyrethroide. Er ist schädlich für Nützlinge wie Bienen und giftig für Wasserorganismen. Unter Lichteinstrahlung zerfallen die Insektengifte aus Chrysanthemen aber meist schneller als die chemisch hergestellten Pyrethroide“, erläutert die Chemikerin.

Beratungsgespräche nicht immer sachkundig und umfassend

Die „alten“ Insektizid-Sprays mit Pyrethroiden werden vor allem noch in Bau-, Garten- und Raiffeisenmärkten in „Giftschränken“ angeboten, oft gemeinsam mit Pflanzenschutzmitteln für den Garten. Für diese in Bezug auf die Rezeptur oft sehr ähnlichen Mittel gelten das Selbstbedienungsverbot und die Beratungspflicht bereits seit Jahrzehnten. „Unser Test zeigte, dass in diesen Geschäften zwar beraten wurde, aber in den gut 20 geführten Beratungsgesprächen fehlten oft wichtige Informationen oder die richtigen Hinweise für den geschilderten Schädlingsfall“, so Kerstin Effers.

Für Umwelt- und Gesundheitsschutz: Nachbesserungen erforderlich

Fazit der Verbraucherzentrale NRW: Die neuen Abgabebestimmungen wirken größtenteils und sind ein wichtiger Fortschritt im Verbraucherschutz. „Viele Menschen sind erschrocken, wenn sie Insekten im eigenen Zuhause entdecken, und sprühten dann in der Vergangenheit schlecht informiert mit einem schnell verfügbaren Mittel. Erst anschließend machen sie sich Sorgen über mögliche Gesundheitsgefahren oder wollen wissen, wie sie die Chemikalien wieder aus den Räumen entfernen können. Dies zeigen viele Anfragen bei unserer Schadstoffberatung“, berichtet Effers.

Positiv sei auch, dass viele Online-Shops beratungspflichtige Mittel aus dem Sortiment genommen haben, beziehungsweise dass diese Produkte nur noch mit Beratung im stationären Handel abholbar sind. Mit Blick auf die Umweltwirkungen sollten aus Sicht der Chemikerin auch Wirkstoffe wie Chrysantemenextrakt, die Insekten nicht nur fernhalten, sondern schädigen und töten können, nicht für „Abwehrmittel“ zugelassen werden. „Damit wäre der Trick der Hersteller, Insektizidsprays als Abwehrmittel zu verkaufen, nicht mehr möglich“, so Effers.

Behördliche Kontrollen, ob die neuen Abgaberegelungen umgesetzt werden, sowie eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher:innen, um Verstöße zu melden, können ebenfalls zu mehr Gesundheits- und Umweltschutz beitragen.

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