Podcast: Wem gehört meine Playlist?

Stand:
Während CDs, DVDs und andere Datenträger im Regal verstauben, füllen sich unsere Festplatten und Cloudspeicher mit immer neuen, digitalen Inhalten. Aber gehören die virtuelle Musikbibliothek, Games und Filme wirklich uns? Und warum kann ich mein gekauftes eBook nicht verleihen wie ein Taschenbuch?
Logo des Podcasts "genau genommen" mit der Illustration einer Frau
Off

Darum geht's:

Wem gehören meine Playlist und Downloads wirklich?

In den USA gab es bereits zahlreiche Rechtsstreite um das Besitz- und Weitergaberecht für digitale Medien. Und das manchmal sogar über die eigene Lebenszeit hinaus. Aber auch hierzulande sollte man sich zumindest Gedanken darüber machen, was mit dem bezahlten und vom Server eines Medienanbieters heruntergeladenen Album, eBook oder Film passiert, wenn sich die Lizenzbedingungen für einzelne Inhalte ändern oder letztere plötzlich nicht mehr verfügbar sind. Wie lange habe ich Anspruch auf notwendige Updates, beispielsweise bei Videospielen und sonstiger Software? Und bieten Bücher und physische Datenträger heutzutage nur noch Sammlerinnen und Sammlern einen Mehrwert?

Zu Gast: Maximilian Heitkämper, Leiter des Fachbereich Digitales und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Die erwähnte Podcastfolge zum digitalen Nachlass finden Sie auf der Webseite der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

genau genommen - Der Podcast der Verbraucherzentralen wird gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Wir freuen uns über Lob, Kritik und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de. Weitere Informationen finden Sie auf verbraucherzentrale.de.

Transkript

Die ganze Podcastfolge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

Patrick Lohmeier (Intro)

[00:00:00] Hollywood. Ein magischer Ort. Heimat der amerikanischen Filmindustrie und häufiger Arbeitsplatz von Superstar Bruce Willis. [00:00:13] Doch der Schauspieler ist sauer. Tausende von Dollar hat er in den vergangenen Jahren in seine Musiksammlung bei iTunes gesteckt. [00:00:20] Und jetzt wäre es doch schade, wenn er diesen digitalen Schatz nicht an seine Töchter vererben könnte. Und dies will er nun gerichtlich einklagen, nötigenfalls will er sogar eine Stiftung gründen, die seine Musikkäufe beim Marktführer Apple nach seinem Tod verwaltet. [00:00:34] Doch der Technologiekonzern hat etwas dagegen [00:00:37] und verweist darauf, dass Willis, genau wie Millionen normalsterblicher Kundinnen und Kunden, die digitalen Klänge nur für sich selbst lizenziert hat und damit kein Recht hat, diese an seine Liebsten weiterzugeben oder zu vererben. [00:00:52] Na gut, diese Geschichte ist nie passiert. Aber ich habe sie mir nicht ausgedacht. [00:00:56] Vor gut zehn Jahren geisterte diese Meldung durch Nachrichten und soziale Netzwerke und wurde dort hitzig diskutiert. [00:01:03] Die Zeitungsente um Bruce Wills' angeblichen Rechtsstreit mit Apple ist auch im Jahr 2023 nicht etwa deswegen immer noch spannend, weil sie uns etwas über Hollywood und seine Stars verrät. [00:01:14] Das tut sie nicht. [00:01:16] Aber die mediale Reichweite der Geschichte sorgte dafür, den Spätsommer 2012 als den Zeitpunkt zu markieren, an dem sich viele Menschen vielleicht zum ersten mal Gedanken darüber machten, wem Ihre digitale Musikbibliothek wirklich gehört. [00:01:30] Und für wie lange. [00:01:33] Jetzt sind die USA weit, weit weg und 2012 ist lange her, aber das Thema Besitzrecht an digitalen Medieninhalten ist aktueller denn je. [00:01:41] Streaming und On-Demand-Anbieter beherrschen den Multimedia-Markt. Die CD- und DVD-Regale im stationären Handel werden immer kleiner und kleiner und kleiner. [00:01:51] Insbesondere in Nordamerika prozessieren bis heute regelmäßig enttäuschte Kundinnen und Kunden gegen Anbieter wie Apple und Amazon, [00:01:58] wenn Ihre digitalen Medieneinkäufe aus dem eigenen Account verschwinden. [00:02:02] Aber auch hierzulande bietet die schwer durchschaubare Gesetzeslage zum Thema Nutzungs- und Besitzrechte an Musik, Filmen, E-Books, und Videospielen aus der Cloud ausreichend Anlass für Fragen seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher. [00:02:14] Antworten hierauf weiß mein Kollege Maximilian Heitkämper von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Er leitet den dortigen Fachbereich Digitales und Verbraucherrecht und ist Jurist mit dem Spezialgebieten Medien- und IT-Recht. [00:02:26] Es ist mir ein Vergnügen, Max in der heutigen Folge von genau genommen begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und ich freue mich, dass Sie uns zuhören.

Patrick Lohmeier

[00:02:45] Wir sprechen heute bei genau genommen über digitale Medieninhalte und zu Gast habe ich den Maximilian Heitkämper. Hallo, Max!

Maximilian Heitkämper

[00:02:52] Hallo!

Patrick Lohmeier

[00:02:53] Bevor wir wirklich in medias res gehen, ins Thema, eine Frage: Bist du CD-Sammler, DVD-Sammler, Blu-ray-Sammler ... oder ist bei dir alles digital irgend auf der Festplatte oder der Cloud geparkt?

Maximilian Heitkämper

[00:03:05] Alle diese Stadien habe ich die durchlebt, sage ich mal so, mittlerweile ist es bei mir aber auch nur noch komplett digital.

Patrick Lohmeier

[00:03:12] Wir sprechen heute über ein Thema, das ist schwierig, und ich glaube da haben einige von uns mit einem gewissen Lebensalter auch schon allesamt mehrere Stadien durchlebt, [00:03:21] nämlich den Wechsel von der einen auf die andere Plattform und dann auf die nächste. Aber jetzt ist ja alles gar nicht mehr so greifbar. Früher konnte man wenigstens sagen, na ja, gut, [00:03:28] ich tausche die Videokassette gegen die DVD aus, die DVD dann gegen die Blu-ray, und die ganz Nerdigen unter uns vielleicht noch die Blu-ray gegen die UHD 4K [00:03:35] Deluxe Edition. Aber mittlerweile ist es ja alles gar nicht mehr da. Also das ist irgendwo in irgendeiner Cloud [00:03:42] bei irgendeinem Anbieter und da schwirren eben unsere Videospiele, unsere Filme, Musiktitel und Alben, die wir geliehen oder gekauft haben, und genau über die reden wir heute. Und das will ich unterstreichen, wir reden nicht etwas über die Medien, die man ins Regal stellen kann.

Maximilian Heitkämper

[00:03:57] Ja, ganz genau, das ist [00:03:58] sehr, sehr wichtig und das ist leider eher so ein juristisches Steckenpferd, diese Unterscheidung. Die muss man aber einfach verstehen, damit man auch weiß, warum es hierfür auch unterschiedliche Rechtsgrundlagen gibt. Also es gibt einen klaren Unterschied zwischen physischen [00:04:14] und digitalen Gütern. Also physische Güter kann man sich vielleicht ganz [00:04:18] grob - so als Eselsbrücke - merken, sa hat man bessere und weitreichendere Eigentumsrecht. Bei einem digitalen [00:04:26] Gut erwerbe ich nur eine Lizenz, sprich ein Nutzungsrecht. Dabei gibt mir der Verkäufer eigentlich vor, wie weit dieses Recht reicht. [00:04:35] Das war im juristischen Kauderwelsch gesprochen, aber wir versuchen, es mal klarer zu machen.

Patrick Lohmeier

[00:04:40] Danke!

Maximilian Heitkämper

[00:04:41] Wenn wir es mit einem praktischen [00:04:43] Beispiel belegen. Die gute alte CD... 90er Jahre...  die Bravo-Hits, die man sich damals gekauft hat. An der habe ich ein Eigentumsrecht. Das war die runde Scheibe, die konnte ich verschenken, verkaufen, vererben, gegen die Wand werfen ... was auch immer. Warum? [00:05:02] Weil alles, was auf dieser Scheibe war, im Zweifelsfall auch nur einmal dort aufgedruckt war. Ich konnte jetzt nicht ohne weiteres diese Scheibe vervielfältigen und damit irgendwo in die Lizenzrechte desjenigen eingreifen, der diese Musik auf diese Scheibe gebrannt hat. Deswegen war das damals auch so schön einfach. [00:05:20] Und es wird leider kompliziert als es anfing, dass man erkannte, dass diese Inhalte auf dieser Scheibe ja digital sind und man sie auslesen konnte und auf andere Medien drucken konnte. [00:05:30] Das hat das Ganze leider etwas schwieriger gemacht.

Patrick Lohmeier

[00:05:35] Und führte genau wozu...? Wenn ich jetzt sage, es gab hitzige Diskussionen im damals noch jungen Internet ist es fast untertrieben. Das führte zum regelrechten Eklat auf Seiten von Musikern, die sich dagegen wehrten, dass plötzlich ihre CDs so leicht digitalisiert und dadurch leicht verbreitet werden konnten.

Maximilian Heitkämper

[00:05:52] Kann man so sagen. Ein Stück weit ist es auch so, dass eine alteingesessene Industrie von der technischen Entwicklung komplett überrannt worden ist. [00:06:01] Was man ja bei technischen Revolutionen immer mal wieder sieht. Damals war es der große Breakdown, dass auf einmal Technologien aufkamen, die es ermöglichten, dass solche CDs ausgelesen werden konnten und die Daten als MP3s quasi extrahiert und auf andere Medien überschrieben werden konnten. Das war dann die Zeit, wo im Internet diese [00:06:20] Tauschbörsen auftauchten, Napster und Konsorten. Und alle Leute füllten sich quasi für lau die Festplatte mit, wie man es damals nannte, gerippten MP3-Dateien. Das war die Katastrophe für die Musiklabels, weil die natürlich in dem Moment deutlich weniger [00:06:37] Geld verdienen und fast in Richtung Bankrott gingen. Und das führte damals zu einem sehr, sehr starken Umdenken, das wir bis heute haben. Sprich: [00:06:47] Diese digitalen Dateien, [00:06:48] in denen unsere digitalen Güter verkörpert sind, die sind nicht mehr frei verfügbar und frei kopierbar. Da ist in der Regel ein Kopierschutz drauf - das läuft unter dem Stichwort DRM, also Digital Rights Management -, [00:07:04] der quasi einfach dafür sorgt, dass das Format nicht geändert werden darf. Es darf nicht kopiert werden, [00:07:10] damit der Lizenzgeber möglichst den Daumen drauf hat. Hinzu kommt, dass sich die Technologie auch verändert hat. Also [00:07:19] Diese ganzen Dateihaufen, die wir uns damals quasi auf die Festplatten geschaufelt haben, an denen ist heute ja keiner mehr interessiert. Streamingnetzwerke [00:07:28] und Streamingdienste sind deswegen auch für die Nutzer:innen interessant, [00:07:34] weil hier kuratiert wird, weil hier Daten vorgehalten werden, weil hier auch ein Service angeboten wird. Synchrone Dienste über verschiedene Geräte, die sich merken, was ich gehört habe und wo ich es gehört habe. Also das muss man ja alles auch im Kontext sehen und [00:07:50] dadurch hat sich der Markt hier schon sehr, sehr weit verändert. Nichtsdestotrotz, ich bin [00:07:57] auf das angewiesen, vereinfacht gesprochen, was mir der Lizenzgeber offeriert. [00:08:04] Ich kann jetzt nicht sagen: Ich möchte diese Musik, die ich hier gerade bei dir höre, für immer in mein Regal stellen und ich möchte die gerne so auch an die nächste Generation weitergeben. Nein... [00:08:16] Wenn ich im Zweifelsfall mein Streaming-Abo kündigen würde oder der Lizenzgeber die Nutzungsmodalitäten dieses Abonnements verändert, kann ich da relativ wenig machen. Deswegen sagte ich eingangs: [00:08:31] Man ist hier gegenüber dem physischen Eigentum schon eingeschränkt in seinen Möglichkeiten.

Patrick Lohmeier

[00:08:37] Okay, ich danke dir. Mit Blick auf die Notizen zu meiner nächsten Frage musste ich auch so ein bisschen an meine eigene Kindheit denken und - noch mal ausdrücklich klargestellt - wir sprechen heute jetzt eben nicht nur über CDs, also Musik, sondern auch über Videospiele oder Filme als digitale Medieninhalte oder auch eBooks. Und beim Thema eBooks musste ich so ein bisschen an die Formatkriege zwischen VHS und Betamax aus meinen Kindheitstagen denken. Wie funktioniert das eigentlich, wenn ich ein eBook lizenziere für mich? Wieso kann ich das dann nicht auf dem Wiedergabegerät, also auf dem Anzeigegerät meiner Frau lesen, [00:09:12] obwohl mir der Titel doch gehört?

Maximilian Heitkämper

[00:09:14] Ja, das hängt wiederum mit den Lizenzbedingungen ab. Also [00:09:18] grundsätzlich ist es so: Man kann immer unterscheiden zwischen den Streamingdiensten, die wir eben hatten. Das sind zeitlich befristete Lizenzen, solange das Abo besteht. Oder zeitlich unbefristete Lizenzen, das [00:09:31] trifft auf dein eBook zu, was du hier erworben hast. Das kannst du ewig lesen, solange [00:09:36] du dich aber in dem Kosmos des Verkäufers bewegst, weil die rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, die eBooks in einem offenen Format anzubieten, [00:09:45] das du auf jedes Gerät einfach aufspielen kannst. Stichwort "offene MP3", was wir eben hatten. Das gibt es einfach nicht mehr und [00:09:52] die Verlage haben natürlich ein größeres Interesse, dass nicht nur du dir das kaufst sondern natürlich auch deine Frau, jeweils auf ihrem eigenen Gerät. [00:10:01] Und deswegen ist das einfach beschränkt. Und da es noch keine gesetzlichen Regeln gibt, die das aufbrechen würden, bleibt das bisher auch so.

Patrick Lohmeier

[00:10:10] Das heißt, dieses Digital Rights Management beinhaltet nicht nur Informationen darüber, wem jetzt quasi diese Musik oder dieses E-Book oder was auch immer gehört oder wer es lizenziert hat und in welchem zeitlichen Rahmen, sondern auch in welchem Kontext ich es nutzen kann. In welchem technologischen Kontext, in welcher App oder auf welchem Abspielgerät.

Maximilian Heitkämper

[00:10:29] Ganz genau. Deswegen ist es auch wirklich sinnvoll und wichtig, dass man vor dem Zulegen seiner digitalen Bibliothek [00:10:39] mal guckt, ob die Bedingungen des Anbieters auf mich und mein Nutzungsverhalten passen. [00:10:45] Wie lange wird es diesen Anbieter am Markt vielleicht noch geben und was passiert vielleicht, wenn der ab nächsten Jahr diese Plattform gar nicht mehr mit Updates oder so unterstützt? Komme ich dann danach gut an meine Inhalte ran? Also das ist [00:10:58] alles nicht ganz unerheblich bei der Entscheidung.

Patrick Lohmeier

[00:11:00] Das führt mich auch zu meiner nächsten Frage. Wir haben gerade eben so ein bisschen romantisierend darüber gewitzelt über die gute alte Zeit, wo man noch alles im Regal stehen hatte. Und ich möchte nicht [00:11:10] dem Sammlerdasein jegliche Legitimität absprechen. Das sollten auch Menschen gerne verfolgen, dieses Hobby, wenn sie das möchten, aber die harte, kalte Realität ist: Physische Datenträger gehören zu einer [00:11:21] aussterbenden Art. Filme, Musik, Videospiele, Bücher... [00:11:26] Man genießt all diese Arten von Entertainment heute zu jeder Zeit und an jedem Ort in der Streaming App deiner, unserer, [00:11:33] meiner Wahl oder man lädt sie aus der Cloud. Aber was ist denn, wenn mein [00:11:38] sagen wir mal virtueller Plattenladen dicht macht eines Tages? Wenn mir mein Musikanbieter, mein Streaming- oder Video-on-Demand-Anbieter sagt: So, das war's, Insolvenz -- ich bin dann mal weg.

Maximilian Heitkämper

[00:11:48] Tja, dann musst du dir im Zweifelsfall die Musik neu beschaffen. Solange es noch keine gesetzlichen Regeln gibt, die etwa den Insolvenzfall betreffen, [00:11:56] und die dann vorschreiben würden, dass dieses DRM Management von den Dateien heruntergenommen wird und die frei zur Verfügung gestellt werden, ist nichts so ohne weiteres machbar. Die Verlage haben ein wirtschaftliches Interesse, einen wirtschaftlichen Druck, diese MP3-freien [00:12:14] Zeiten nicht wieder kommen zu lassen, weil denen ansonsten auch ihre ganzen Künstler abspringen würden, wenn die nicht ausreichend geschützt sind. Deswegen ist das eine sehr, sehr komplexe [00:12:24] Kiste, zu entscheiden, was denn in einem solchen Insolvenzfall dann stattdessen getan, [00:12:31] um auf der einen Seite mir als Nutzer weiterhin die Nutzungsverfügung zu geben, aber auch gleichzeitig den notwendigen Schutz zur Verfügung zu stellen. Eigentlich bräuchten wir dann also ein allgemein [00:12:42] gültiges Format, was irgendwie personalisiert werden kann, das aber trotzdem einen gewissen Grundschutz bietet. Das wird vermutlich auch in der Zukunft irgendwann kommen, aber bisher sind da die technischen Standardisierungsschritte einfach noch nicht soweit. Anders sieht es dagegen bei Streamingdiensten im Abo aus. [00:13:02] Wenn die hier pleitegehen, da habe ich ja gar keine Musik gekauft, sondern ich habe [00:13:07] quasi nur gemietet für den Zeitraum des Abos. Und ähnlich wie beim Vermieter, wenn der pleite geht, muss ich mir was [00:13:14] Neues suchen. Doof ist es dann, wenn ich quasi Eigenleistung reingesteckt habe, also [00:13:22] was du ja schön mit der romantischen Bibliothek beschrieben hast, die ich mir dann ansammle. Das machen die Leute ja heute auch in ihren digitalen Bibliotheken. Da werden dann Playlists an Ereignisse geknüpft und Freundeslisten gemacht und Kommentare dazu geschrieben... [00:13:40] Das alles geht ja [00:13:41] weg und das wird wahrscheinlich auch unwiederbringlich weggehen, wenn so ein Dienstanbieter verschwinden würde, weil dass das irgendwo gespeichert und übertragbar wird, kann ich mir nicht so recht vorstellen.

Patrick Lohmeier

[00:13:52] Okay, das ist dann [00:13:54] - ich möchte nicht sagen ein für allemal verloren, weil ich finde es ja anderswo - aber ich muss dann wahrscheinlich einfach noch einmal Geld in die Hand nehmen, um mir dann einen Musiktitel woanders zu kaufen oder ich gebe mich eben damit zufrieden, [00:14:06] dass ich ihn "nur" streamen kann und eben nicht besitze und nutze einen dieser Streaminganbieter. [00:14:13] ...die wir nicht namentlich nennen wollen, weil wir wollen ja keine Werbung machen. Okay, vielleicht ein bisschen [00:14:20] spezieller, aber ein ähnlich gelagerter Fall: Was passiert denn, wenn ich auf einer Video-on-Demand-Plattform einen Film kaufe [00:14:33] und den kriege ich eben auf dieser Plattform für Betrag X und jetzt macht eben der [00:14:39] Rechteinhaber seine eigene Streamingplattform auf und sagt: "Okay, du [vorheriger Anbieter] darfst meinen Film nicht mehr bei dir verkaufen, weil der ist jetzt ein [00:14:47] Disney+ Exclusive oder Netflix Exclusive oder Amazon Prime Video Exclusive. Ist der Film verloren auf der Plattform, wo ich ihn ursprünglich gekauft habe? [00:14:59] Wieder eine sehr nerdige Frage.

Maximilian Heitkämper

[00:15:00] Überhaupt nicht, weil das natürlich wieder ein bisschen davon abhängt, wie der Zugang zum Film ist. Hast du ihn gekauft, sage ich jetzt mal, sprich: dauerhaft lizenziert?

Patrick Lohmeier

[00:15:08] Ich habe ihn dauerhaft lizenziert.

Maximilian Heitkämper

[00:15:10] Dann kann dir der Zugriff nicht entzogen werden, weil die Lizenzbedingungen, die zum Zeitpunkt des Kaufes abgeschlossen worden sind, die gelten auch weiterhin. Da kann der Anbieter nicht einseitig die Bedingungen ändern, nur weil sich seine wirtschaftliche Zieleplanung verändert hat. [00:15:26] Was anderes wäre es, wenn das ein Streamingdienst mit Mietmodell ist. Da kann das geändert werden, da hätte ich dann im Zweifelsfall dann keinen Zugriff mehr drauf, was wir ja auch durchaus schon gesehen haben. Es gibt ja diese Fälle, [00:15:38] dass Labels ihren eigenen Dienst hochgezogen haben und dann ihre eigenen Titel dort exklusiv reingepackt haben. Das ist ja so gesehen nichts, was gar nicht passiert.

Patrick Lohmeier

[00:15:48] Noch so ein speziell gelagerter Fall ... jetzt mal von den eBooks über die Musik zu den Filmen und Videospielen. Wenn ich ein Videospiel besitze, also online gekauft habe und aus der Cloud heruntergeladen habe und der Rechteinhaber mir nicht die Möglichkeit gibt, das vollumfänglich zu nutzen in der Art und Weise, wie ich es mir erhofft habe ... beispielsweise, indem er seinen Softwaresupport einstellt und keine notwendigen Updates mehr zu Verfügung stellt. Muss ich dann auch einfach sagen: Ja, schade drum, klappt nicht, jetzt konnte ich nur sechs oder acht oder zwölf Monate spielen und dann hat anscheinend der Laden dicht gemacht oder keine Lust mal so eigenes Spiel zu unterstützen? Ist das Spiel dann nur  noch virtueller Abfall?

Maximilian Heitkämper

[00:16:29] Eigentlich musstest du das früher auch nicht sagen [00:16:32] aber da war es noch schwieriger, sich dort auf sogenannte Gewährleistungsrechte zu berufen, weil es dafür einfach noch keine ausreichenden rechtlichen Regelungen gab. Man muss sich mal vor Augen führen, dass wir jetzt erst seit diesem Jahr in unserem bürgerlichen Gesetzbuch die digitalen Produkte als [00:16:50] Kategorie erfasst haben. [00:16:53] Und das ist sehr sehr wichtig, weil wir dabei jetzt auch endlich diesen Faktor Software-Updates, Funktionsfähigkeit eines Produktes, Auswirkung von Aktualisierungen ... [00:17:03] Das steht erst jetzt wirklich  in einem Gesetz drin und jetzt kann ich eben auch sagen - während der zu erwartenden Nutzungsdauer - [00:17:11] und in dem Falle, also sechs Monate kein Produkt-Support, kann ich wohl mit Fug und Recht sagen, ich [00:17:16] kann hier noch eine weitere Nutzungsdauer erwarten, da muss der Anbieter auch dafür sorgen, [00:17:21] dass das Produkt lauffähig ist. Sprich: Er muss es mit den notwendigen Sicherheits-Updates auch versehen. [00:17:27] Tut er das nicht, kann ich sagen: Das ist mangelhaft und er muss entweder nachbessern oder - wenn er das nicht hinbekommt - kann ich auch vom Kauf zurücktreten und mein Geld zurückverlangen. Das werden wir in den nächsten [00:17:40] Monaten und Jahren auch immer mehr sehen, dass das getan wird. Wir werden Rechtsprechung dazu bekommen und wie in anderen Bereichen auch wird sich da jetzt ein rechtliches Standardwerk herausbilden und [00:17:53] nach welchen Regeln das anzuwenden ist. Aber hier stehen wir wirklich am Anfang. Das ist Neuland.

Patrick Lohmeier

[00:17:58] Okay, vielen Dank [00:18:00] bis hierhin. Ich glaube, ich habe die Basics zum Thema Lizenzierungen oder Besitz an digitalen Medieninhalten jetzt auch begriffen und weiß eben, wie weit diese reichen oder eben auch nicht. [00:18:12] Aber eine Sache ist mir noch eingefallen zum Thema eBooks beziehungsweise deren Weitergabe. [00:18:17] Ich habe mich gefragt: Wenn denn das Endgerät keine technische Hürde darstellt und beispielsweise - da kommt meine Frau wieder - meine Frau und ich dasselbe Gerät besitzen, also wir nicht auf E-Book-Readern von unterschiedlichen Herstellern lesen, [00:18:31] sondern tatsächlich das gleicher Gerät haben ... wieso kann ich dann nicht einen Titel, den ich gekauft habe, weitergeben an sie? [00:18:41] Das scheint doch auch möglich zu sein im Rahmen dieser Onleihe, die wir auch privat sehr gern nutzen. Also ein Service der öffentlichen Bibliotheken in Berlin, aber auch überall anderswo in Deutschland, nämlich dass ich [00:18:52] Bücher für eine gewisse Zeit ausleihen kann ... kostenlos ausleihen kann ... und die wandern ja auch danach [00:18:58] an irgendjemand anderen, wenn meine Leihfrist von zwei oder vier Wochen verstrichen ist. [00:19:03] Da geht das mit dem Verleihen doch offensichtlich auch bei der Onleihe. Wieso funktioniert das dann nicht bei mir privat?

Maximilian Heitkämper

[00:19:09] Einfach gesagt erstmal, weil Verlage natürlich kein großes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass sich hier ein neuer Standard etabliert. [00:19:18] Aus Sicht desjenigen, [00:19:20] der möglichst viele Verkäufe generieren möchte, macht man den Markt so dicht wie möglich und ich gebe keine Möglichkeit frei, dass die Lizenz weitergegeben werden kann. Dass das durchaus möglich ist, das zeigt eben gerade diese Onleihe. Man hat ja auch hier die Situation, dass man verhindern möchte, dass eine vorhandene Lizenz von den Nutzer:innen frei vervielfältigt werden kann. [00:19:44] Das passiert bei der Onleihe auch nicht, weil man quasi immer einen Nutzungsaccount hat, der dann quasi eingecheckt und ausgecheckt wird. Sprich: Wenn der eine das Buch zum anderen weitergibt, verliert er zu diesen Zeitpunkt die Nutzungsrechte. Und auf diese Art und Weise hat der Mandant quasi den Daumen drauf auf diesem System. [00:20:01] Das könnte man auch auf andere Medientypen problemlos ausweiten und daneben auch sagen: [00:20:08] Ich verleihe meinen Film ... ich verleihe mein Spiel ... ich verleihe meine Musikdatei XY ... [00:20:14] und für die Zeit eines Monats kann ich nicht drauf zugreifen und am Ende fließt das wieder an mich zurück. [00:20:19] Das wäre technisch ohne weiteres umsetzbar. Aber das wirtschaftliche Interesse der Verlage ist [00:20:25] da im Moment natürlich nicht sehr stark. Es wird sich wahrscheinlich erst was tun, wenn entsprechende gesetzliche Regeln das entweder vorgeben oder wenn wir ein [00:20:37] neues Unternehmen beispielsweise haben, was das auch als gezieltes Geschäftskonzept im aufgreift. Aber aber das ist [00:20:45] immer sehr, sehr schwierig, weil ein Unternehmen, das hiermit erfolgreich werden wollte, [00:20:51] bräuchte entsprechende Lizenzen, die sie bei den Verlagen einkaufen und solange die nicht weitergegeben und freigegeben werden, kann sich hier nichts entwickeln.

Patrick Lohmeier

[00:20:59] Ich sehe da auch leider keine Perspektive und mein persönliches Empfinden ist ja sowieso, dass ungleich zu Videospielen und zum Markt Filme und Musik der Bereich Print noch relativ stark aufgestellt ist. [00:21:13] Oder zumindest noch existiert. ​​​​​​

Maximilian Heitkämper

[00:21:15] Richtig.

Patrick Lohmeier

[00:21:16] CDs gibt es quasi gar nicht mehr. ​​​​​​

Maximilian Heitkämper

[00:21:18] Und hat ja immer noch den Vorteil, dass diese Haptik den Leuten einfach gefällt. Das ist bei anderen Formaten einfach nicht so der Fall.

Patrick Lohmeier

[00:21:26] Ja, richtig. Also, jetzt habe ich mich [00:21:29] arrangiert mit meinen Rechten und Möglichkeiten betreffend meine Medienbibliothek, die ich eben lizenziert habe, aber eben nur in einem gewissen Rahmen und für bestimmte Endgeräte ... [00:21:40] aber was mache ich, denn wenn ich eines Tages von dannen gehe früher oder später. Und ich möchte sagen: Hier, liebe Kinder, habt ihr Papas Musikbibliothek. Hört doch mal in die alten Platten rein, also die alten wie auch immer codierten Files. Was passiert da mit meinem digitalen Mediennachlass? ​​​​​​

Maximilian Heitkämper

[00:21:59] Das wird ein sehr, sehr [00:22:01] spannendes Thema werden. Und an dieser Stelle möchten wir gerne auf unsere Kollegen aus Baden-Württemberg verweisen, die unter dem Stichwort digitaler Nachlass schon mal 2020 eine ganz gute Folge dazu gemacht haben. Die verlinken wir hier auch. [00:22:15] Im Kern ist es so, dass man leider auch hier wieder sagen muss: Es fehlen die gesetzlichen Regeln. Das Erbrecht kennt [00:22:21] bislang keinen digitalen Nachlass. Es gibt Unternehmen, die sich darauf eingerichtet haben, ob Accounts übergeben werden können und was übergeben werden kann ... [00:22:31] Aber es ist eine Sysiphosarbeit, da Unterschiede herauszuarbeiten. Deswegen ist der Kerngedanke eigentlich: [00:22:39] Wenn man etwas hier vererben sollte, gibt man am besten die Zugangsdaten für seinen Account [00:22:44] weiter und dafür empfiehlt es sich, schon frühzeitig Übersichten zu erstellen und die Zugangsdaten an sicheren Orten zu hinterlegen. Und diejenigen, die dort später Zugriff haben, sollte man auch darrüber [00:22:56] informieren, wo diese Orte sind, wie man das eben auch in einem Testament macht.

Patrick Lohmeier

[00:23:02] Alles klar, dann gibt's da noch keine gesetzliche Perspektive, aber ich möchte sagen: Physische Datenträger sind weitestgehend tot, aber die Hoffnung auf eine gesetzliche Regelungen im diesem Bereich stirbt zuletzt. Also verbleiben wir so ... [00:23:13] (beide lachen) ​​​​​​

Maximilian Heitkämper

[00:23:14] Eigentlich kann man in dem Bereich irgendwie sagen: Entwicklungen sind immer durch die Macht des Faktischen und durch technische Innovationen vorangetrieben worden. Also wenn es nach den [00:23:25] Labels, den Marktteilnehmern geht, [00:23:28] würden wir heute noch unsere CDs hören, wenn nicht sogar irgendwelche Schallplatten, aber die sind dann halt getrieben.

Patrick Lohmeier

[00:23:38] Genau, ich wollte auch gerne hier noch den Vinyl-Liebhaberinnen und -Liebhabern eine Stimme geben. Auch wenn wir an dieser Stelle immer von CDs sprechen. Aber die gibt's natürlich auch noch. Vielen lieben Dank, Max, für die Aufklärung zu digitalen Medieninhalten. Das war sehr, sehr hilfreich. Ich danke dir.

Maximilian Heitkämper

[00:23:53] Sehr gerne. Hat mir Spaß gemacht.

Patrick Lohmeier (Outro)

[00:23:59] Vielen Dank an alle Menschen, die die Produktion dieser Podcastreihe ermöglichen. Und natürlich an Sie fürs Zuhören. [00:24:06] Diese Folge, wie auch alle weiteren Episoden von genau genommen, können Sie übrigens in so gut wie allen Podcatchern und Audio Apps anhören. Dort können Sie diesen Podcast auch abonnieren, worüber ich mich sehr freuen würde. Und über eine Weiterempfehlung unseres Format sowieso. [00:24:20] Mehr rund um Ihre Rechte zu Streaming und digitalen Gütern finden Sie unter www.verbraucherzentrale.de. [00:24:25] In wenigen Tagen habe ich ein neues, spannendes Thema für Sie. Bis dahin erreichen Sie mich für Feedback und Themenwünsche per E-Mail an podcast@vz-bln.de [00:24:37] Dies war genau genommen, der Podcast der Verbraucherzentralen. Mein Name ist Patrick Lohmeier und ich freue mich auf ein Wiederhören.

 

Lob, Kritik, Fragen und Themenwünsche können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

BMUV-Logo

Schreiben Sie einen Kommentar

Wir können keine Anbieternennungen veröffentlichen. Sie werden gegebenenfalls von uns gelöscht oder durch neutrale Bezeichnungen ersetzt.

Die Verbraucherzentrale nutzt und speichert die in diesem Kommentarfeld erhobene E-Mail-Adresse ausschließlich für die Bearbeitung Ihres Kommentars im Forum. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Sie haben das Recht, Ihre Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, z.B. per E-Mail an die Adresse datenschutz@verbraucherzentrale.nrw. Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

*Pflichtfelder

Telefonberatung in Nordrhein-Westfalen

So erreichen Sie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

Unsere Beratungsstellen erreichen Sie per Telefon und E-Mail. Auch über eine zentrale Hotline, das zentrale Kontaktformular auf unserer Internetseite sowie bei Facebook, Instagram und Twitter können Sie uns kontaktieren.
Trinkflasche und Turnschuhe auf einer Yogamatte im Gras

Fragwürdige "Green Claims"? Schicken Sie uns Beispiele!

Die Verbraucherzentrale NRW möchte zweifelhaften Schadstoff-Werbeaussagen auf den Grund gehen – mit Ihrer Hilfe!
Mercedes GLK auf einem Parkplatz

Diesel-Urteil: Musterklage gegen Mercedes erfolgreich

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte im Zuge des Diesel-Skandals im Jahr 2021 eine Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes-Benz Group AG eingereicht. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied, dass Mercedes Verantwortung für die bewusste Manipulation von Abgaswerten übernehmen muss.