Die Pflege-Wohngemeinschaft: Eine Alternative zum Heim

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Den Lebensabend allein in den eigenen vier Wänden oder in einem Heim zu verbringen, kommt für viele Menschen nicht in Frage. So genannte Pflege-Wohngemeinschaften haben sich als neue Wohn- und Versorgungsform entwickelt. Wir beschreiben, was hierbei zu beachten ist und was die Pflegekasse zahlt.
Vier Senioren sitzen in einem Gemeinschaftsraum

Das Wichtigste in Kürze:

  • Es gibt anbieterorganisierte und selbstorganisierte Pflege-Wohngemeinschaften. Die Organisationsform einer Pflege-Wohngemeinschaft sowie die Vertragsgestaltung entscheiden darüber, welche Gesetze anwendbar sind.
  • Für das Leben und Wohnen in einer Pflege-Wohngemeinschaft müssen mehrere Verträge geschlossen werden.
  • Die Pflegekasse zahlt unter bestimmten Voraussetzungen (monatliche) Zuschüsse.
  • Pflegebedürftige, die eine Pflege-Wohngemeinschaft gründen oder daran beteiligt sind, erhalten von der Pflegekasse unter bestimmten Voraussetzungen einmalig pro Person 2500 Euro.
  • Muss die Wohnung umgebaut werden, um sie an die Bedürfnisse der Bewohner anzupassen, zahlt die Pflegekasse unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschuss von 4000 Euro pro Person. Pro Pflege-Wohngemeinschaft zahlt die Kasse maximal 16.000 Euro.
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Was ist eine Pflege-Wohngemeinschaft?

In einer Pflegewohngemeinschaft leben mehrere, zum Teil auch pflegebedürftige Menschen zusammen. Jeder Bewohner hat sein eigenes Zimmer, das er sich nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen einrichten kann. Daneben gibt es gemeinschaftlich genutzte Räume wie beispielsweise eine Küche und ein Wohnzimmer, die von allen Bewohnern genutzt werden können.

Pflegebedürftige und ältere Menschen leben somit nicht allein und können den Alltag besser bewältigen, indem sie Betreuungs- und Unterstützungsangebote gemeinsam nutzen. Hierfür beauftragen sie gemeinsam eine Person, die organisatorische, verwaltende oder betreuende Tätigkeiten übernimmt sowie im Haushalt unterstützt. Diese Person wird Präsenzkraft genannt.

Anbieterorganisierte Pflege-Wohngemeinschaften

Pflege-Wohngemeinschaften werden vielerorts durch Träger von Pflege- und Betreuungsdiensten sowie von Kommunen, Bürgervereinen oder Einzelpersonen gegründet und geleitet. Dieses Modell zeichnet sich dadurch aus, dass der Träger der Pflege-Wohngemeinschaft Entscheidungen und Maßnahmen in verschiedenen Angelegenheiten selbst trifft. So entscheidet er beispielsweise darüber, wer in die Wohngemeinschaft einzieht und wie die gemeinschaftlich genutzten Räume gestaltet sind.

Bei anbieterorganisierten Wohngemeinschaften sind neben den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch die besonderen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes anwendbar. Das bedeutet, dass der Betreiber der jeweiligen Pflege-Wohngemeinschaft zum Beispiel Anforderungen an das Personal sowie die Wohnqualität, aber auch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Bewohner zu beachten hat. Ob der Betreiber die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Landes auch tatsächlich einhält, wird von der Heimaufsicht überwacht und geprüft.

Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch die bundesgesetzlichen Vorschriften nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) anwendbar.

Selbstorganisierte Pflege-Wohngemeinschaften

Wenn Bewohner oder ihre Angehörigen eine Pflege-Wohngemeinschaft gemeinschaftlich gründen, die von ihnen selbstbestimmt organisiert und verwaltet wird, spricht man von einer sogenannten selbstorganisierten Pflege-Wohngemeinschaft. Die Bewohner bzw. deren Angehörigen regeln alle Fragen, die die Wohngemeinschaft betreffen, selbst. Sie entscheiden beispielsweise darüber, wer in die Wohngemeinschaft einzieht oder wie der Alltag gestaltet wird. Daher eignet sich diese Wohnform im Besonderen für Menschen, die Angehörige haben, die ihre Interessen vertreten können, falls der Bewohner selbst dies nicht alleine kann.

In einer selbstorganisierten Wohngemeinschaft kommen ausschließlich die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Tragen. Die Heimaufsicht ist hier nicht zuständig und kann daher auch nicht tätig werden, wenn es Fragen oder Beschwerden zu einer Pflege-Wohngemeinschaft gibt.

Welche Verträge müssen geschlossen werden?

  • Mietvertrag: Über die Räumlichkeiten der Pflege-Wohngemeinschaft muss ein Mietvertrag geschlossen werden. In der Regel schließen die Bewohner jeweils einzeln mit dem Vermieter einen Mietvertrag. Möglich ist aber auch, dass die Gemeinschaft als Ganzes mit dem Vermieter einen Mietvertrag vereinbart.
  • Vertrag über Leistungen einer Präsenzkraft: Eine Pflege-Wohngemeinschaft zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass die dort lebenden Bewohner Hilfe und Unterstützung im Alltag benötigen. Die Bewohner beauftragen daher gemeinschaftlich eine Person oder (mehrere Personen), die sich tagsüber in der Wohnung aufhält, die Bewohner betreut und den Alltag organisiert und verwaltet, Beschäftigungsangebote macht und im Haushalt unterstützt. Diese allgemeinen Betreuungs- und Unterstützungsleistungen einer sogenannten "Präsenzkraft" werden vertraglich festgelegt.
  • Pflegedienstvertrag: Bewohner die pflegebedürftig sind, schließen außerdem mit einem Pflegedienst einen Pflegedienstvertrag für bestimmte Leistungen ab, um ihren persönlichen Pflegebedarf zu decken. Die Bewohner einer Pflege-Wohngemeinschaft sollten den Pflegedienst, von dem sie versorgt werden wollen, frei wählen können. Benötigt ein Bewohner zusätzlich beispielsweise Hilfe beim Einnehmen von Medikamenten, muss ein Vertrag über die sogenannte Behandlungspflege mit einem Pflegedienst abgeschlossen werden.
  • Vertrag über Betreuungs-und Unterstützungsleistungen: Es ist auch denkbar, die pflegerische Betreuung nicht dem Pflegedienst, sondern einem Betreuungsdienst zu übertragen. Zu überlegen wäre dies vor allem in den Fällen, in denen der Sachleistungsbetrag bereits ausgeschöpft, der Hilfebedarf jedoch nicht abgedeckt ist oder bei Personen mit Pflegegrad 1, die keinen Anspruch auf die Sachleistungen haben. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass Unterstützungsleistungen im Haushalt nicht oder nicht vollständig der Präsenzkraft übertragen wurden. In diesem Fall kann ein Betreuungsvertrag zwischen dem Bewohner und dem Betreuungsdienst geschlossen werden. Der Betreuungsdienst kann aber auch gemeinschaftlich von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft beauftragt werden.
  • Gemeinschaftsvereinbarung: Zuletzt empfiehlt es sich außerdem, eine gemeinsame Vereinbarung zu treffen, die das Miteinander in der Pflege-Wohngemeinschaft regelt. Die Inhalte dieser Gemeinschaftsvereinbarung hängen insbesondere davon ab, ob es sich um eine selbstorganisierte oder trägerorganisierte Pflege-Wohngemeinschaft handelt.

 

Was zahlt die Pflegekasse?

Der Wohngruppen-Zuschlag

Pflegebedürftige in Pflege-Wohngemeinschaften, die bestimmte Anforderungen erfüllen, haben Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich. Damit kann eine Person bezahlt werden, die sich tagsüber in der Wohngemeinschaft aufhält und Betreuungs- und Unterstützungsleistungen übernimmt (Präsenzkraft). Es hat sich ergeben, dass das Sozialamt in einigen Bundesländern diesen Betrag als Einkommen abgezogen hat. Die Betroffenen sollten sich daher bei dem Sozialamt vor Ort erkundigen.

In der Vergangenheit wurde von der Pflegekasse der Wohngruppenzuschlag mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt. Das Bundessozialgericht hat nun in verschiedenen Urteilen entschieden, dass an die Gewährung des Wohngruppenzuschlags keine zu hohen Anforderungen geknüpft werden dürfen. Voraussetzung ist aber immer, dass es sich um eine Wohngemeinschaft handelt und nicht um eine stationäre Versorgung. Der Wohngruppenzuschlag ist zu gewähren, wenn

  • der Charakter einer Wohngemeinschaft und die Möglichkeit sich in einem gemeinschaftlichen Raum zu treffen, gegeben ist.
  • die Wohngruppe mindestens aus 3 und höchstens 12 Personen besteht, von denen mindestens 3 Personen pflegebedürftig (d.h. mindestens dem Pflegegrad 1 zugeordnet) sind
  • die Tätigkeiten der Präsenzkraft von mindestens einer Person ausgeübt wird, wobei der Auftragnehmer auch eine juristische Person (beispielsweise ein ambulanter Pflegedienst) sein kann.
  • 3 Bewohner die Präsenzkraft beauftragen oder ein neuer Mitbewohner der Beauftragung ebenfalls zustimmt. Es müssen also nicht alle Mitbewohner gemeinsam beauftragen.
  • Mindestens 3 Bewohner der Wohngruppe bestimmte ambulante Leistungen beziehen, und zwar entweder die Pflegesachleistung, Pflegegeld, Angebote zur Unterstützung im Alltag oder den Entlastungsbetrag.

Gründungszuschuss für die Wohngemeinschaft

Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten Pflegebedürftige, die eine Pflege-Wohngemeinschaft gründen oder zumindest daran beteiligt sind, einmalig den Betrag von 2500 Euro. Eine Pflege-Wohngemeinschaft erhält maximal 10.000 Euro als Förderung.

In der Praxis lehnen die Pflegekassen diese Leistungen häufig ab. Als Grund für die Ablehnung wird angegeben, dass eine Wohnform vorliege, die einer vollstationären Pflege entspreche oder dass eine aktive Einbringung der Bewohner oder deren Umfeld nicht vorgesehen sei. Beides sollte deshalb im Vertrag ausdrücklich geregelt sein.

Manchmal können Umbaumaßnahmen erforderlich sein, um den Wohnbereich an die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen anzupassen.

Umbaumaßnahmen in der Wohngemeinschaft

Beispielsweise kann in einem mehrgeschossigen Haus ein Treppenlift erforderlich sein. In diesem Fall zahlt die Pflegekasse für Pflegebedürftige unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschuss bis zu 4000 Euro. Pro Pflege-Wohngemeinschaft gibt es maximal 16.000 Euro. Dabei prüft die Pflegekasse für jeden Pflegebedürftigen, ob die Voraussetzungen bei ihm vorliegen.

Zuschüsse für Betreuung und Pflege

Wird die Pflege über ambulante Pflegedienste organisiert, gewähren die Pflegekassen für Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 Pflegesachleistungen. Wie hoch der Zuschuss ist, hängt davon ab, welcher Pflegegrad für Sie festgelegt wurde.

Auch die Krankenversicherung gewährt grundsätzlich Leistungen wie im privaten Wohnen, etwa häusliche Krankenpflege (zum Beispiel Medikamente geben, Wunden versorgen).

Daneben kann auch der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro in Anspruch genommen werden. Dieser Betrag steht allen Pflegebedürftigen der Pflegegrade 1-5 zu. Wichtig ist, dass diese nach dem aktuellen Landesrecht qualifiziert sind.

Wenn die 125 Euro pro Monat nicht ausreichen, können Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 einen Teil ihrer nicht ausgeschöpften Pflegesachleistungen umwidmen lassen. Maximal 40 Prozent des Höchstbetrags der Sachleistung lassen sich dann für nach Landesrecht anerkannte Angebote verwenden.

Was tun, wenn das Einkommen nicht reicht?

Trotz der beschriebenen Leistungen müssen die Bewohner einen größeren Teil der Kosten selbst bezahlen. Haben Sie kein eigenes Einkommen und Vermögen, springt manchmal das Sozialamt ein. Wenn absehbar ist, dass ein Teil der Kosten vermutlich über das Sozialamt finanziert werden muss, sollte man schon vor dem Einzug klären, ob das Sozialamt für den Aufenthalt in der ausgewählten Wohngemeinschaft auch zahlt.  Personen mit geringem Einkommen können außerdem Wohngeld beantragen.

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