Umwelt, Klima, Menschenrechte: Auswirkungen der Textilproduktion

Stand:
Pro Kopf werden in Deutschland zirka 18 kg Kleidung gekauft, weltweit liegt der Konsum bei 8 kg. Im Zuge einer solchen Massenproduktion von Textilien kommt es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen.
Gestapelte Kleidung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zusammen mit der Schuhindustrie erzeugt die globale Bekleidungsherstellung 10% der weltweiten CO2 Emissionen.
  • Die Lederindustrie führt zum Teil zur Misshandlung von Tieren sowie zur Vergiftung von Menschen und Umwelt durch Gerbereichemikalien.
  • Innerhalb der textilen Wertschöpfungskette gibt es extrem schlechte Arbeitsbedingungen.
  • Eine „Textilstrategie“ der EU soll bis 2030 den Umgang mit Textilien in der EU ökologischer gestalten.
  • Was Verbraucher:innen tun können: so wenige Textilien und Schuhe wie möglich neu erwerben.
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Umwelt- und Klimarelevanz der Textilindustrie

Der Verbrauch von Textilien ist nach der Lebensmittelherstellung, dem Wohnungsbau und der Mobilität der viertstärkste Faktor, was die Auswirkungen auf Umwelt und Klimawandel angeht. Bei Wasser- und Landnutzung steht er an dritter und bei der Inanspruchnahme von Primärrohstoffen und bei Treibhausgasemissionen an fünfter Stelle.

Zusammen mit der Schuhindustrie erzeugt die globale Bekleidungsherstellung 10% der welt-weiten CO2 Emissionen – mehr als globaler Flug- und Schiffsverkehr zusammen verursachen. Da in den Produktionsländern noch größtenteils auf Kohle als Energieträger gesetzt wird, ist der CO2 Ausstoß entsprechend hoch.

Baumwollanbau: Pestizideinsatz und -vergiftungen, Gentechnik, Wasserverbrauch, Zwangsarbeit

Da die Baumwollpflanze recht anfällig ist, werden im regulären Baumwollanbau relativ große Mengen an Pestiziden verbraucht, nämlich 10 - 16% der globalen Insektizidproduktion - obwohl Baumwolle nur 2,5% der globalen Anbauflächen beansprucht. Die Baumwollbäuer:innen sind dabei meist nur unzureichend im Umgang mit den Pestiziden geschult und tragen mangelhafte oder keine Schutzkleidung, weshalb Pestizidvergiftungen sehr häufig vorkommen. Neben der Vergiftungsgefahr geht mit dem hohen Pestizideinsatz auch ein starker Biodiversitätsverlust in der Umgebung der Felder einher.

Die großen Saatguthersteller haben in der Vergangenheit massiv Werbung für genmodifiziertes Baumwollsaatgut gemacht. Sie versprechen höhere Erträge durch verbesserte Resistenzen, weshalb viele indische Baumwollbäuer:innen für den Kauf des Saatgutes Schulden aufgenommen haben. Kommt es jedoch aufgrund von ungünstigen Wetterbedingungen zu einer Missernte, sitzen sie in einer Schuldenfalle, da sie erneut das Saatgut kaufen müssen, aber keine Rücklagen dafür haben. Anders als das herkömmliche Saatgut lässt sich das genveränderte Saatgut nicht selbst nachzüchten. 

Baumwolle wächst in sonnigen Regionen, braucht aber auch viel Wasser. Daher werden die wasserarmen Gebiete bewässert, um dort Baumwolle anbauen zu können. Das ohnehin knappe Wasser fehlt dann an anderer Stelle. Das bekannteste Beispiel ist die Austrocknung des Aralsees. Dieser wurde zur Bewässerung von Baumwollplantagen in Kasachstan genutzt. Der See verlor zwischen den 60er Jahren und 1997 rund 90% seines Volumens und weite Teile seiner Fläche, so dass die Fischer und fischverarbeitenden Betriebe rund um den See ihre Existenzgrundlage verloren. Durch den hohen Pestizid- und Düngereinsatz wurde das restliche vorhandene Seestück ökologisch stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Salzgehalt vervierfachte sich. Die ohnehin vorhandene Wüste breitete sich so noch weiter aus, was wiederum mit Biodiversitätsverlust und dem Verlust der Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung einherging. Ähnlich negative Entwicklungen des Wasserhaushaltes finden auch in allen anderen Baumwoll-Anbauregionen statt.

 

Nachhaltigkeitsaspekte bei der Faserauswahl

Alle Fasern belasten Umwelt und Klima – egal ob Kunst- oder Naturfasern. Dies gilt auch für Leder, Kunstleder, Kautschuk usw. Es gibt nur wenige nachhaltige Alternativen. Die Wahl der Faser wirkt sich deshalb nur gering auf die Ökobilanz des fertigen Textils aus. Die lange Nutzung ist ausschlaggebend für eine positivere Ökobilanz. 
Da alle Textilfasern in der Produktion verschiedene Vor- und Nachteile haben, kann keine Faserart besonderes empfohlen werden. Für die Herstellung neuer Fasern wird immer Energie, Wasser und Anbaufläche benötigt. Bei konventioneller Baumwolle findet außerdem ein hoher Einsatz von Pestiziden statt. Hinzu kommt, dass nicht für jede Anwendung alle Fasern gleichermaßen geeignet sind und auch die Langlebigkeit sehr verschieden ist. Generell sind bio-logisch angebaute pflanzliche Fasern herkömmlich angebauten vorzuziehen.

Übersicht: Vor- und Nachteile Textilfasern

Tabelle
Themenheft Textil, Umweltministerium Baden Württemberg, 2017

Faserrecycling, also das Recycling von Fasern eines Textils zu neuen Fasern, um daraus ein neues Textil herzustellen, erfolgt weltweit fast noch gar nicht. Weniger als ein Prozent der weltweit hergestellten Textilien werden auf diese Weise recycelt. Um Fasern recyceln zu können, ist es am besten, wenn die Faserarten nicht gemischt sind. Immer öfter wird aber Baumwolle mit Synthetikfasern vermischt, diese Fasern lassen sich jedoch nicht mehr für die Herstellung eines neuen Textil aufbereiten.

Färben und Ausrüsten der Fasern: Vor allem für bunte und schwarze Kleidung werden viele Chemikalien in der Herstellung benötigt. Der neue, nachhaltige "undyed Fashion" Trend bietet Kollektionen, die weniger Chemikalien enthalten und somit auch die Umwelt und unsere Gesundheit schützen. Begriffe wie "bügelfrei" oder "knitterfrei" können Hinweise auf eine zusätzliche chemische Behandlung der Fasern sein.

 

Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren die Region Xinjiang zu einer Hauptregion des Baumwollanbaus in China entwickelt. In Xinjiang werden 20% der Weltproduktion an Baumwolle produziert. Die in diesem Gebiet beheimatete Ethnie der Uiguren wird von der Zentralregierung stark unterdrückt. Neben der zwangsweisen Internierung in so genannten Schulungszentren, in denen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen aktuell zwischen 0,5 und 1,5 Millionen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, gibt es Berichte über Zwangsarbeit der dort untergebrachten Menschen im Baumwollanbau und in der Weiterverarbeitung von Baumwolle zu Garnen. Die Vorwürfe werden von der chinesischen Regierung stets bestritten. Große europäische Produzenten stritten ab, Baumwolle aus der Region Xinjiang zu verwenden. Recherchen vom Rechercheverbund, die Baumwollprodukte mit der Methode des Isotopenanalyse untersuchen ließen, belegen aber das Gegenteil.

Leder: Misshandlung von Tieren, Vergiftung von Menschen und Umwelt durch Gerbereichemikalien

Das Land mit der größten Lederindustrie ist Bangladesch. Vorwiegend wird für Schuhe Rindsleder benutzt. Die Kühe dafür werden oftmals unter schlimmsten Bedingungen von weit her, teils aus Indien, lebendig nach Bangladesch gebracht. Auch die Schlachtung findet in vielen Fällen nicht tiergerecht statt. Besonders brutal ist die Gewinnung von Schlangenleder, da die Schlangen oftmals lebendig gehäutet werden. Die Haut lässt sich so leichter abziehen, als wenn man die Tiere vorher töten würde.

Zur Verarbeitung des Leders benötigt man diverse Chemikalien, unter anderem Chromsalze, Laugen und Farbstoffe. Viele davon sind toxisch für die Gerber:innen, die sie meist ohne oder nur mit rudimentärer Schutzkleidung verwenden und großflächigen Hautkontakt haben. Berufskrankheiten wie Schwermetallvergiftungen und Krebs durch diese Chemikalien sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Gerbereiabwässer gelangen oft ungeklärt in Flüsse und vergiften dort die Pflanzen und Tiere.

Eine für Umwelt und Gesundheit verträglichere Alternative ist die Gerbung mit pflanzlichen Substanzen wie Eichenrinde. Sie wird jedoch nur selten durchgeführt, da sie deutlich zeitaufwändiger und damit teurer ist. Dennoch haben einige Schuhersteller Schuhe aus Pflanzengerbung im Angebot. In der Regel wird diese Art der Gerbung besonders beworben. Gerbereien innerhalb Europas gerben zwar auch vorwiegend rein chemisch, hier gelten jedoch strengere Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen, so dass diese Produkte zu bevorzugen sind.

Arbeitsbedingungen in der Produktionskette

Innerhalb der textilen Wertschöpfungskette gibt es extrem schlechte Arbeitsbedingungen. Hauptprobleme sind übermäßig hohe Arbeitszeiten von über 60 Stunden pro Woche, geringe Löhne, die nicht das Existenzminimum sichern, restriktive Arbeitsbedingungen - wie Kontrolle, Bedrohung, sexuelle Belästigung -, unzureichende Hygienebedingungen, Verhinderung von Gewerkschaften, Verstöße gegen die Arbeitssicherheit und infolge dessen Verletzungen und Vergiftungen. Hinzu kommen mangelnder Schutz von Schwangeren bzw. Entlassungen bei Krankheit oder Schwangerschaft. Die genannten Bedingungen treffen auf die Nähereien für Textilien und Schuhe je nach Land in verschiedenen Schweregraden und Ausprägungen zu. Man kann nicht sagen, dass Textilien aus einem speziellen Billiglohnland generell besser produziert werden als aus einem anderen Billiglohnland. Die Länder stehen untereinander in Konkurrenzkampf, da die globale Textilindustrie ihre Arbeitsplätze schnell verlegen kann, sollte ein Land zu sehr auf die Einhaltung von Menschenrechten und angemessenen Mindestlöhnen bestehen.

Kinderarbeit in der Textilindustrie findet vor allem im Anbau und in der Vorproduktion statt, z.B. Anbau der Baumwolle, Entfernen der Baumwollsamen oder dem Gerben von Leder. In großen Nähereien ist Kinderarbeit eher unüblich, umso mehr jedoch in kleinen Veredelungsbetrieben - in denen etwa Pailletten aufgestickt werden - oder in Heimarbeit.

Sowohl die türkische als auch die italienische Textilindustrie beschäftigt häufig illegal eingereiste Personen, da diese aufgrund ihres Status keinen Rechtsbeistand bei Arbeitsrechtsverletzungen haben und sich mit Dumpinglöhnen zufrieden geben, um überhaupt ein Auskommen zu haben. 

Auch Angestellte im Textilhandel in Deutschland haben teilweise schlechte Arbeitsbedingungen wie geringe Löhne, Verhinderung von Betriebsratsarbeit, schlechte Bezahlung der ausliefernden Fahrer:innen im Onlinehandel und Scheinselbstständigkeit. Arbeitende, die die in Containern angelieferte Ware konfektionieren, sind den oft verwendeten Containerbegasungsmitteln ausgesetzt. Vergiftungsfälle sind bekannt.

Ob das Europäische Lieferkettengesetz hier zu einer Verbesserung führen kann, ist noch völlig offen und hängt von der genauen Ausprägung und Überwachung des angekündigten Gesetzes ab. Das deutsche Lieferkettengesetz wird von NGO als nicht ausreichend angesehen, um angemessene Verbesserungen zu erwirken, auch wenn es ein erster Schritt Richtung fairer Lieferketten ist.

 

EU Textilstrategie

Die im März 2022 veröffentlichte Textilstrategie (Com 2022 141 EU strategy for sustainable and circular textiles) hat das Ziel, bis 2030 den Umgang mit Textilien in der EU ökologischer zu gestalten. Die Textilindustrie wurde im Circular economy actionplan als eine der Schlüsselindustrien für die Kreislaufwirtschaft identifiziert. Anlass ist der hohe Textilverbrauch in der EU, der nach Prognosen noch weiter wachsen wird.

Ergänzend zu der Strategie plant die EU noch, Ökodesignvorgaben für Textilien und grüne Beschaffungsleitlinien zu veröffentlichen. Es werden Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Textilerzeugnissen vorgeschlagen. Dazu gehören:

  • Anforderungen an die Gestaltung von Textilien im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte ausarbeiten, mit denen verpflichtende Mindestwerte für die Verwendung recycelter Fasern in Textilien festgelegt werden und dafür gesorgt wird, dass die Produkte länger nutzbar sind und leichter repariert und recycelt werden können. 
  • Vernichtung nicht verkaufte Waren soll unter bestimmten Bedingungen verboten werden, was auch für nicht verkaufte oder zurückgesendete Textilien gilt.
  • Klarere Informationen auf Textilien und ein digitaler Produktpass zur Kreislauffähigkeit und zu anderen wichtigen Umweltaspekten. 
  • Strenge Kontrollen gegen grünen Etikettenschwindel (Greenwashing).
  • Maßnahmen zur Bekämpfung der unbeabsichtigten Freisetzung von Mikroplastik aus Textilerzeugnissen.
  • Unterstützung von Forschung, Innovation und Investitionen sowie der Entwick¬lung der für den ökologischen und digitalen Wandel erforderlichen Kompetenzen.
  • Unterbindung des Transports von Textilabfällen ins Ausland. 

Quelle und mehr Details unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/QANDA_22_2015

Auch wenn sich die Vorgaben zukunftsweisend darstellen, erwartet die Verbraucherzentrale NRW nicht, dass alle Punkte ambitioniert bis 2030 umgesetzt werden. Die meisten Ziele beziehen sich auf eine geänderte Produktion und ein besseres Ökodesign, so dass Verbraucher:innen zukünftig ein nachhaltigeres Angebot zur Auswahl haben werden.

 

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