IGeL-Verzichtserklärung in der Arztpraxis ignorieren

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Ärzt:innen bieten Untersuchungen an, die über den Leistungskatalog gesetzlicher Krankenkassen hinaus gehen. Kassenpatient:innen müssen die meisten davon selbst bezahlen. Sie sollte in der Praxis keine pauschale Verzichtserklärung dazu unterschreiben.
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Bevor sie überhaupt ins Behandlungszimmer vorgelassen werden, müssen sich manche Patient:innen entscheiden: Wollen sie die Standard-Behandlung, die die Kasse zahlt oder geben sie Geld für Zusatzleistungen aus? Viele Beschwerden auf dem Portal igel-ärger.de handeln davon, dass Patient:innen im Wartezimmer diese pauschale Entscheidung treffen sollen. Dabei kennen Betroffene zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt die Krankheit und die Behandlungsmethoden.

Mit ihrem Kreuz bei „Nein“ sollten Patient:innen ausdrücklich Behandlungen auf eigene Kosten ablehnen, teilen sie  auf igel-ärger.de mit. Zur Begründung gaben manche Ärzt:innen auf Nachfrage an, dass sie sich mit der angekreuzten Ablehnung von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) gegen unberechtigte Haftungsansprüche absichern wollten. Die fürchteten sie, falls Patienten erkrankten, weil sie keine Zusatzleistung in Anspruch genommen hätten und Schadensersatzforderungen stellen würden.

Fehlende Aufklärung über Kosten und Nutzen

Die Folge dieser indirekten Verkaufsstrategie: Ohne über Kosten und Nutzen aufgeklärt worden zu sein, willigen viele Patient:innen pauschal in IGeL-Angebote ein. Sie befürchten ansonsten Nachteile bei ihrer Behandlung.

Besonders augenfällig: Die IGeL-Verzichtserklärung wird laut Patient:innen-Aussagen häufig vor Glaukom-Vorsorgeuntersuchungen von Augenärzt:innen verlangt. Daneben legten auch einige Gynäkolog:innen Patientinnen eine schriftliche Verzichtserklärung bei zusätzlichen kostenpflichtigen Ultraschall-Untersuchungen vor.

Selbstzahlerleistungen bleiben freiwillige Leistungen

Die Patient:innen sollten sich davon aber nicht einschüchtern lassen. Gesetzlich Versicherter sind nicht zur Unterschrift verpflichtet. Denn bei IGeL-Angeboten handelt es sich grundsätzlich um freiwillige und medizinisch nicht immer notwendige Leistungen. Wenn Patient:innen diese nicht wollen, müssen Ärzte und Ärztinnen dies nicht dokumentieren. Patient:innen dürfen außerdem keine Nachteile für die weitere Behandlung entstehen, falls sie sich gegen die dargebotene Leistung entscheiden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) ist 2021 leider nicht der Auffassung der Verbraucherzentrale NRW gefolgt. In dem Verfahren ging es um eine Patienteninformation des Bundesverbands der Augenärzte. Hier können Sie das komplette Urteil lesen: https://www.verbraucherzentrale.nrw/urteilsdatenbank/gesundheit-pflege/patienteninformationen-unterliegen-nur-eingeschraenkter-agb-kontrolle-45672. Dennoch gilt weiterhin, dass Patient:inen nichts unterschreiben müssen, was eine medizinisch nicht notwendige Leistung betrifft.

Betroffenen die ihre Erfahrungen mit Selbstzahlerleistungen von Ärzt:innen schildern wollen, steht hierzu das Beschwerdeformular auf igel-ärger.de zur Verfügung: https://www.igel-aerger.de/projekt-igelaerger/ihre-beschwerde-ueber-igel-34280