Interview Hubertus mit Gosmann

Stand:
stellvertretender Schulleiter des Hubertus-Schwartz-Berufskolleg in Soest: "Verbraucherbildung in Schule verankern - wie kann die Umsetzung erfolgreich gelingen?"
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Foto GosmannIhre Schule wurde im Frühjahr als Verbraucherschule Gold ausgezeichnet. Wie sind Sie auf die Auszeichnung aufmerksam geworden und was hat Sie motiviert Verbraucherschule zu werden?

Unsere Schule hat sich in der Vergangenheit durch verschiedene Maßnahmen und Projekte im Bereich „Schule der Zukunft – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) NRW“ engagiert. Auf der Suche nach weiteren Schulentwicklungsmaßnahmen habe ich erstmalig von der Verbraucherschule gelesen und war direkt begeistert von der Vielschichtigkeit der Themen und der Kompatibilität mit unserer Bildungseinrichtung. Als kaufmännisches Berufskolleg liegt es sozusagen in unserer DNA Inhalte mit großem Arbeits- und Lebensweltbezug zu behandeln, aber die Verbraucherbildung und das Konzept Verbraucherschule geht noch einige Schritte weiter, in dem es bisherige Bemühungen, wie beispielsweise die im Hinblick auf BNE einschließt und durch weiteren, vielfältigen Lernanlässen über die vier definierten Handlungsfelder ergänzt, um so noch näher an die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler heranzukommen. Ich sehe darin die große Chance, unsere Schülerinnen und Schüler noch besser zu erreichen und mitzunehmen auf dem Weg, mündige  Verbraucher zu werden, die beispielsweise wissen, wie man sich gesund ernährt, klug mit Geld umgeht, sicher in der virtuellen Welt unterwegs ist und ressourcenbewusst leben kann.

Welche Maßnahmen zur Verbraucherbildung setzen Sie an Ihrer Schule beispielsweise um?

Ganz besonders erfolgreich läuft unser Repair-Café. Unter fachmännischer Leitung eines Physik-Lehrers reparieren Schülerinnen und Schüler alle möglichen Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Vom Ladekabel über die Kaffeemaschine bis hin zum Staubsauger wird fleißig diagnostiziert und repariert. So müssen die Dinge nicht direkt weggeworfen werden und es wird ein positiver Beitrag zum ressourcensparenden Handeln geleistet. Der Mehrwert für die Lernenden besteht zudem im Erlangen von handwerklichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem guten Gefühl, bei Reparaturerfolg etwas erreicht zu haben. Im Frühjahr konnte das Repair-Café bereits expandieren und auf unserem Schulhof eine umfangreiche Fahrradreparaturstation in Betrieb nehmen. Im neuen Schuljahr wird ergänzend ein „Wichtelregal“ als Tauschbörse für zum Beispiel Bücher und kleinere (ggfs. reparierte) Gegenstände eingerichtet.

Im Rahmen der Zertifizierung zur Verbraucherschule GOLD konnten wir darüber hinaus durch folgende unterrichtliche und außerunterrichtliche Maßnahmen punkten:
Betrieb der Schülergenossenschaft „PencilMania“

  • Nachhaltigkeitsolympiade der Schülervertretung
  • Projekt „Weltbewusst (er)leben“
  • Fast Fashion vs. Made in Germany, Unterrichtseinheit im Bildungsgang Industrie
  • Geschäftsreisen ökologisch planen, Unterrichtseinheit in der Berufsschule
  • Projekt „Fake News erkennen“, bildungsgangübergreifend i. V. m. der Ausbildung von Medienscouts
  • Projekt „Social Media Screening – was weiß das Internet über mich?“,
  • Psychosoziale Gesundheit und Selbstkonzept, Unterrichtseinheit im Sportunterricht
  • u.v.m.

Was sind Ihrer Meinung nach Faktoren, die Schulen den Weg zur ganzheitlichen Umsetzung von Verbraucherbildung erleichtern und welche  Unterstützungsangebote könnten förderlich sein?

Nach meiner Erfahrung steht vorab die wichtige Erkenntnis, dass Verbraucherbildung nicht ausschließlich additiv verstanden werden muss und sozusagen noch „on top“ auf das System Schule zukommt. Insofern sollten man sich zunächst bewusst darüber werden, was man bereits alles im Hinblick auf die Stärkung der Konsum- und Alltagskompetenzen der Schülerinnen und Schüler leistet. Bei einer solchen Bestandsaufnahme unterrichtlicher und/oder außerunterrichtlicher Lernanlässe und der anschließenden Verortung in den Handlungsfelder wird schnell klar, wo man bereits stark aufgestellt ist und in welchem Bereich man sich noch steigern könnte. Ich nenne das „Bottom-Up-Prinzip“ und meine damit, dass man die Verbraucherbildung bildlich gesprochen zunächst „aus der Schule herauszieht“ und nicht einfach „in die Schule hineindrückt“. Das fördert die Motivation der Kolleginnen und Kollegen hier mitzuwirken enorm und führt häufig dazu den nächsten Schritt sehr gerne zu gehen und neue Maßnahmen der Verbraucherbildung in der Schule umzusetzen, die dann die Handlungsfelder komplettieren und die Verbraucherschule breit, im Idealfall auf „Gold-Niveau“, aufstellt.

Neben dem bereits erwähnten großen Lebens- und Arbeitsweltbezug ist ein weiterer Erfolgsfaktor für die nachhaltige Umsetzung zweifelsohne die Vielschichtigkeit der Themen. Man kann sagen, dass im Grunde für jede Bildungseinrichtung über alle Altersstufen und fachlichen oder pädagogischen Ausrichtungen hinweg Möglichkeiten zur Umsetzung von Verbraucherbildung gegeben sind. Die Angebote des Verbraucherzentrale Bundesverbands, der Verbraucherzentralen vor Ort und insbesondere auch des Materialkompasses sind reichhaltige Ideenquellen und gleichzeitig konkrete Unterstützungsstellen bei der Umsetzung von Lernanlässen der Verbraucherbildung.

Aktuell haben wir erstmals auch eine Lerngruppe als Verbraucherchecker ausgebildet. Von diesem Peer-Group-Education-Projekt erwarten wir noch mehr Nachhaltigkeit der Verbraucherthemen im Konsum- und Alltagsleben unserer Schülerinnen und Schüler zu erreichen, denn die wichtigen Dinge erfahren sie nun von Gleichgesinnten (Peers), die als Multiplikatoren auftreten und den Lernenden auf Augenhöhe, in ihrer eigenen Sprache und vielleicht auch fernab von arrangierten Lernanlässen der Schule begegnen.

Besorgt dreinblickender Mann, der auf seine Kreditkarte schaut, während er mit seinem Mobiltelefon spricht.

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