- Verbraucherzentrale NRW prüft sogenannte Green Claims auf 17 Produktseiten im Internet.
- Belege für angebliche Prüfungen und Zertifizierungen fehlen dort.
- Verbraucherschützer:innen fordern gesetzliche Regelung auch für Werbung mit Aussagen zu Chemikalien und gesundheitlicher Unbedenklichkeit.
Bei Betten fürs Baby wollen Eltern sicher sein, dass ihr Kind nicht mit Schadstoffen in Kontakt kommt. Schließlich schlafen die Kleinen in den ersten Lebensjahren viele Stunden am Tag. Doch wie verlässlich sind Aussagen wie „schadstoffgeprüft“ oder „giftfrei“, mit denen im Online-Handel Schlafmöbel aus dem Holzwerkstoff MDF (Mitteldichte Faserplatten) beworben werden? Das hat die Verbraucherzentrale NRW in einer Marktstichprobe von insgesamt 17 online angebotenen Babybetten untersucht. „Auf den Produktseiten haben wir lediglich vollmundige Versprechen, aber keine überprüfbaren Nachweise gefunden“, erklärt Kerstin Effers, Referentin für Umwelt und Gesundheitsschutz. „Dies zeigt, dass strengere gesetzliche Regelungen nicht nur für irreführende Umweltaussagen, sondern auch für Behauptungen zu Schadstoffen oder gesundheitlicher Unbedenklichkeit dringend erforderlich sind.“
Im Online-Handel findet sich ein breites Angebot an Bettchen für Säuglinge und Kleinkinder, die unter anderem aus dem Werkstoff MDF gefertigt sind. Neben den Platten selbst gibt es dabei noch weitere Schadstoffquellen wie Farben, Lacke, Leime und Beschichtungen. In einer Stichprobe haben sich die Expert:innen der Verbraucherzentrale NRW im Februar 2024 17 Produktseiten von solchen Baby- und Kinderbetten genauer angeschaut und die Werbeaussagen in Bezug auf Schadstoffe oder Gesundheitsverträglichkeit unter die Lupe genommen.
Nicht nachprüfbare Aussagen im Internet
Bei allen 17 Betten versprachen die Produktbeschreibungen „schadstofffreie“, „schadstoffgeprüfte“, „schadstoffarme“, „giftfreie“, „ungiftige“, „unbedenkliche“, „komplett ohne Lösungsmittel“ oder „ohne jegliche Schadstoffe“ hergestellte Betten. Bei etwa der Hälfte bezogen sich die Aussagen nur auf die lackierten Oberflächen und nicht auf das gesamte Bett. Neunmal wurden Tests, Prüfungen oder Zertifizierungen in Bezug auf Schadstoffe erwähnt, ohne entsprechende Nachweise zur Verfügung zu stellen. Dabei wäre es gerade im Online-Handel technisch leicht möglich, Prüfberichte zum Download zur Verfügung zu stellen oder Prüf-Identifikationsnummern zu verlinken.
Auf einer Produktseite wurden die Eltern beispielsweise damit beruhigt, dass das Bett sicher und unbedenklich für die Gesundheit sei. Nachweis Fehlanzeige. Ebenso blieb offen, was unter der mehrfach erwähnten „hochwertigen MDF“-oder „Öko-MDF-Platte“ zu verstehen ist.
Antworten der Händler völlig unzureichend
Die Verbraucherschützer:innen schrieben alle Händler an und forderten sie auf, innerhalb von zwei Wochen nachvollziehbare Nachweise für die getroffenen Werbeaussagen vorzulegen. Zwar antworteten zehn Anbieter innerhalb der Frist, doch es wurden häufig ohne Sachbezug Dokumente vorgelegt, die die angefragten Werbeaussagen nicht belegten und dem Bett nicht eindeutig zuzuordnen waren, wie technische Merkblätter von Lacken (ohne Information zur chemischen Zusammensetzung) oder eine Bescheinigung zur Klebekraft des verwendeten Leims. „Immerhin erhielten wir vier Prüfberichte, die bescheinigten, dass das Bett die Anforderung der Spielzeugnorm in Bezug auf die Freisetzung von Elementen wie Cadmium und Blei erfüllt – einer davon war allerdings schon fast 13 Jahre alt“, erklärt Kerstin Effers. „Insgesamt konnte aber keiner der Händler alle seine Werbeaussagen vollständig belegen.“
Dass es besser geht, zeigen Hersteller, die ihre Babybetten von unabhängiger Stelle nach öffentlich einsehbaren Kriterien testen lassen und so überprüfbar belegen, dass die Möbel schadstoffarm sind. Solche Produkte sind erkennbar an Siegeln wie zum Beispiel dem Blauen Engel.
Green Claims-Richtlinie sollte auch Schadstoffe umfassen
Mit der Green Claims-Richtlinie und der Erweiterung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sind in der EU derzeit Regelungen in Arbeit, die Greenwashing unterbinden sollen. Vorgesehen sind einheitliche Standards zu Informationspflichten und zur Belegbarkeit umweltbezogener Marketingaussagen wie „natürlich“, „biologisch abbaubar“ oder „klimaneutral“. Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht ausreichend: „Auch in Bezug auf Chemikalien und gesundheitliche Unbedenklichkeit können Unternehmen derzeit viel behaupten. Für Verbraucher:innen bleibt unklar, ob die Werbeaussagen glaubhaft sind oder bloß Grünfärberei darstellen“, so Effers. „Das wurde bei unserer Marktstichprobe zu dem sensiblen Produkt Babybetten mehr als deutlich.“
Die Verbraucherzentrale NRW fordert daher, dass Werbeaussagen nur erlaubt sein sollen, wenn Verbraucher:innen diese am Verkaufsort (Point of Sale) überprüfen können. Werden Labormessungen erwähnt, müssen dafür Nachweise etwa in Form von Prüfreporten einsehbar sein. Außerdem sollten nicht nur einzelne Bestandteile wie der Lack schadstoffgeprüft sein, sondern das ganze Bett, damit Konsument:innen nicht in die Irre geführt werden.