Klage gegen Viessmann wegen Prosumer-Stromtarif erfolgreich

Pressemitteilung vom
Verbraucherzentrale NRW beseitigt irreführende Werbung und sorgt für Transparenz bei Stromtarif für Betreiber:innen von Photovoltaik-Anlagen

Verbraucherzentrale NRW beseitigt irreführende Werbung und sorgt für Transparenz bei Stromtarif für Betreiber:innen von Photovoltaik-Anlagen

  • Werbeaussage „Flatrate“ für Volumentarif unzulässig
  • Marketingversprechen zu unabhängiger Strom-Community irreführend
  • Viessmann muss deutlich auf tatsächlichen Stromlieferanten hinweisen
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Auf eine Klage der Verbraucherzentrale NRW hin hat das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. der Viessmann Group GmbH & Co.KG irreführende Werbeaussagen zu angebotenen Stromtarifen für eine Viessmann-Solaranlage untersagt (Urteil vom 7.10.2021, Az.: 2-03 O 559/19). So wurde ein Stromtarif als „Flatrate“ beworben. Entgegen der Erwartung handelte es sich dabei aber nicht um eine „klassische“ Flatrate zum Festpreis, sondern lediglich um einen Volumentarif, bei dem ab einer bestimmten Verbrauchsmenge Mehrkosten anfallen können.

Irreführende Werbung gestoppt

Das vom Anbieter in der Werbung gezeichnete Bild einer Gemeinschaft von privaten Stromproduzenten und -konsumenten („Prosumer“), die sich in einem geschlossenen Stromsystem durch das gemeinsame Erzeugen, Verbrauchen und Teilen von Strom unabhängig von steigenden Strompreisen und Energieversorgern machen könnten, entlarvte das Gericht als Märchen: Weder vertraglich noch technisch oder physikalisch komme es zu einem Zusammenschluss der Kund:innen. Strom werde weder gemeinsam erzeugt noch genutzt; es gebe auch keinen „exklusiven“ Strompool für ViShare-Mitglieder, in dem überschüssiger Strom gesammelt und später wieder entnommen werden könne.

„Wir begrüßen sehr, dass das Gericht diese Marketing-Mythen zu Prosumer-Tarifen klar benannt und ihnen einen Riegel vorgeschoben hat“, erklärt Holger Schneidewindt, Jurist und Energierechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW. „Es ist wichtig, dass Verbraucher:innen die Funktionsweise der Tarife verstehen und keine falschen Erwartungen haben. Die Kunden:innen schließen einen Stromliefervertrag mit einem Energieversorger zur Deckung ihrer Reststromlücke ab – nicht mehr und nicht weniger.“

Preiserhöhung während Anlagenausfall unzulässig

Das Gericht kassierte zudem eine Klausel im Kleingedruckten, wonach der von Prosumer:innen zu bezahlende Strompreis um zwei Euro pro Tag pro Kilowattpeak Leistung (kWp) erhöht werden könnte, wenn die Photovoltaikanlage aufgrund eines vollständigen oder teilweisen Ausfalls mehr als vier Tage lang mindestens 50 Prozent weniger Strom als erwartet in das Stromnetz einspeist. Das Gericht sah darin eine unzulässige Pauschalisierung von Schadensersatzansprüchen, weil die Preiserhöhung den zu erwartenden Schaden um ein Vielfaches übersteige.

Vorherige Abmahnung

Zuvor hatte die Viessmann Group, nach einer der Klage vorausgegangenen Abmahnung durch die Verbraucherzentrale NRW, bereits auf weitere irreführende Werbeaussagen und unzulässige Klauseln verzichtet. Unter anderem war der ursprünglichen Unternehmenswerbung nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Viessmann Group nicht selbst der Anbieter der beworbenen „ViShare“-Stromtarife ist. „Dieses unzulässige Versteckspiel taucht im Zusammenhang mit Prosumer-Tarifen verstärkt auf“, fasst Holger Schneidewindt zusammen. „Unternehmen nutzen ihre Bekanntheit, um Verbraucher:innen zu ködern, tatsächlicher Vertragspartner ist aber ein anderer Geschäftspartner. Es ist für Kund:innen nicht nur ärgerlich, sondern insbesondere bei Haftungsfragen auch rechtlich von großer Bedeutung, wer der Vertragspartner ist.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Weitere Links

Individuelle Fragen zum Thema Energieversorgung beantworteten die Berater:innen der Verbraucherzentrale NRW. Informationen dazu sind unter www.verbraucherzentrale.nrw zu finden.

Das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 07.10.2021, Az. 2-03 O 559/19, ist auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW in der Urteilsdatenbank zu finden: https://www.verbraucherzentrale.nrw/urteilsdatenbank

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