Hohe Lebensmittelpreise: Transparente Preisbildung und Kontrolle notwendig

Pressemitteilung vom
Die Verbraucherzentrale NRW blickt auf die eigene Arbeit im Jahr 2022 zurück und vermutet Gewinnmitnahmen im Lebensmittelsektor
  • Beratungsstellen unterstützten 2022 bei rund 370.000 Anliegen
  • Folgen von Energiekrise und Inflation stehen auch weiter im Mittelpunkt der Verbraucherarbeit
  • Marktcheck deckt Preisunterschiede von mehr als 100 Prozent bei Grundnahrungsmitteln auf
  • Preistransparenzstelle würde für mehr Wettbewerb im Lebensmittelmarkt und Verbraucherschutz sorgen
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Die Verwerfungen am Energiemarkt und die dauerhaft hohe Inflation haben zu erheblichen Belastungen und Unsicherheit bei vielen Verbraucher:innen geführt. „Wir verzeichnen weiter eine hohe Nachfrage – vor allem zu Energiethemen. Wir haben diese Nachfrage mithilfe unserer 63 Beratungsstellen und rund 1.500 Online-Seminaren gut aufgefangen. Ergänzend bieten wir umfassende Informationen auf unseren Websites und unsere Expert:innen haben in zahlreichen Medieninterviews für Orientierung gesorgt“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Ob Energiespartipps, Fragen zu geplanten Investitionen in erneuerbare Energien, finanzielle Problemlagen infolge der hohen Lebenshaltungskosten oder falsch berechnete Abschlagszahlungen – in den Anfragen spiegelt sich die gesamte Bandbreite der Energiekrise und deren Folgen wider. „Wir hatten und haben außerdem stets ein Auge auf die korrekte Umsetzung von Verbraucherrechten und gehen im Zweifel juristisch gegen Anbieter vor, die es damit nicht so genau nehmen“, ergänzt Schuldzinski.

Tools zur Selbsthilfe – vom Energierechner bis zum Fakeshop-Finder

Als Hilfe zur Selbsthilfe hat die Verbraucherzentrale NRW 2022 zusätzlich mehrere Online-Tools für Verbraucher:innen entwickelt – etwa zur Berechnung des korrekten Abschlags nach der Energiepreisbremse oder zur Berechnung des Nothilfezuschlags für Besitzer:innen von Öl- und Pellet-Heizungen. Auch der Abschlag bei verminderter Internetgeschwindigkeit lässt sich auf der Website der Verbraucherschützer online berechnen.

„Um das Einkaufen im Netz selbst sicherer zu machen, stellen wir außerdem seit August 2022 den Fakeshop-Finder zur Verfügung“, so
der Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Das selbstlernende Programm sucht gezielt nach Fakeshops im Internet, also nach unseriösen Online-Händlern, die Verbraucher:innen mit täuschend echten Webseiten in die Irre führen und oft zur teuren Falle beim digitalen Einkauf werden. „4.000 Menschen nutzen das Programm inzwischen täglich, bis Ende April wurde das Tool bislang insgesamt 870.000 Mal aufgerufen“, berichtet Schuldzinski. „Dass der Bedarf an dieser Stelle groß ist, zeigen nicht nur diese beeindruckenden Klickzahlen. Monatlich entdeckt der Fakeshop-Finder um die 1.200 neue Fakeshops.“

Ebenso profitierten im Jahr 2022 wieder viele Menschen von der Flugärger-App der Verbraucherzentrale NRW, die inzwischen über 190.000 Mal heruntergeladen wurde. Die App hilft kostenlos bei der Klärung möglicher Ansprüche gegenüber Airlines bei verspäteten oder annullierten Flügen.

Marktcheck zeigt große Unterschiede bei Lebensmittelpreisen

Im vergangenen Jahr sind zudem die seit Sommer 2021 stark steigenden Lebensmittelpreise in den Fokus der Verbraucherschützer:innen geraten. Denn sie bleiben auf hohem Niveau trotz sinkender Energiepreise. Die Expert:innen sind sich einig: Seit dem Rekordwert von März 2023 (plus 22,3 Prozent) gelten die Lebensmittelpreise als die Haupttreiber der Inflation. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag ihre Teuerung im April 2023 bei plus 17,2 Prozent. „Zu beklagen sind aus Verbrauchersicht nicht nur die sehr hohen Preise, sondern auch die absolut undurchsichtige Preisbildung bei Herstellern und Lebensmitteleinzelhandel“, unterstreicht Bernhard Burdick, Leiter Markt und Konsum der Verbraucherzentrale NRW.

Das zeigen auch die Ergebnisse eines aktuellen Marktchecks, den die Verbraucherzentrale NRW im Mai 2023 bei vier großen Einzelhändlern in fünf NRW-Großstädten durchgeführt hat. Beim Preisvergleich von 19 Grundnahrungsmitteln zeigten sich dabei große Preisunterschiede über alle Filialen und Anbieter hinweg. Der teuerste Warenkorb kostete 71,58 Euro. „Diese Kosten lassen sich theoretisch halbieren – je nachdem wie oder wo man einkauft. Ein vergleichbarer Warenkorb lag bei 34,78 Euro. Durch gezielten Einkauf in verschiedenen Märkten oder die Wahl von sogenannten No-Name-Produkten lässt sich also ordentlich Geld sparen“, unterstreicht Burdick.

Wichtig: Grundpreise vergleichen

Die Preisunterschiede der einzelnen Produkte sind teils eklatant: Ein Blumenkohl kostete mal 0,99 Euro, in einem anderen Geschäft dagegen 4,99 Euro. Das ist ein Unterschied von beeindruckenden 404 Prozent. Die größte Preisspanne gab es bei Kartoffeln mit 454 Prozent. Bei Butter reichten die Preise von 5,56 Euro bis 15,16 Euro je Kilogramm. „Bei 17 von 19 untersuchten Lebensmitteln fanden wir Preisunterschiede von mehr als 100 Prozent“, fasst Burdick die Ergebnisse zusammen. Der Marktcheck offenbart zudem, dass Discounter nicht immer die günstigste Wahl für den Einkauf sind: Butter, Sonnenblumenöl und Blumenkohl waren beispielsweise hier mit am teuersten. „Einen echten Vergleich erlauben nur die Grundpreise, also die Preise pro Kilo oder Liter, die klein gedruckt neben dem Produktpreis zu finden sind“, rät Bernhard Burdick.

Verbraucherzentrale NRW fordert Preistransparenzstelle

Laut aktuellen Studien lässt sich über ein Drittel des jüngsten Preisanstiegs bei Lebensmitteln nicht mit gestiegenen Produktionskosten erklären. „Auch die großen Preisspannen, die unser Marktcheck offenbart, sind nicht nachvollziehbar. Die Anzeichen für Gewinnmitnahmen sowie unzureichenden Wettbewerb im Lebensmittelmarkt können nicht länger ignoriert werden“, kritisiert Schuldzinski. Derzeit fehle jedoch die nötige Transparenz und damit Handhabe, um die Preisbildung bei Lebensmitteln nachzuvollziehen und mögliche Übergewinne zu unterbinden. „Wir fordern deshalb, die tatsächlichen Lebensmittelpreise konkreter Produkte und Marken von einer unabhängigen Preistransparenzstelle dauerhaft erfassen und auswerten zu lassen. Die aktuell geplante Verschärfung des Wettbewerbsrechts begrüßen wir“, ergänzt Schuldzinski. „Denn wenn das Kartellamt auch bereits bei einem Missbrauchsverdacht eingreifen kann, also wenn noch kein Kartellrechtsverstoß vorliegt, könnte das dazu beitragen, wieder mehr Wettbewerb im Lebensmittelmarkt herzustellen.“

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