Internationale und innerstaatliche Flüge
Eine Luftbeförderung ist als „international“ definiert, wenn Abflugs- und Bestimmungsort im Gebiet zweier Staaten liegen oder wenn sich der Abflug- und Bestimmungsort zwar auf dem Gebiet eines Staates befindet, aber eine Zwischenlandung auf dem Gebiet eines anderen Staates geplant ist. Ein Beispiel: Ein Passagier hat eine Pauschalreise gebucht, bei der er von Hamburg nach Paris fliegt, dort eine Woche verweilt und schließlich in Berlin landet. In diesem Fall ist Hamburg der Abflugort und Berlin der Bestimmungsort. Obwohl Abgangs- und Bestimmungsort in einem Staat liegen, handelt es sich durch die Zwischenlandung in Frankreich um einen internationalen Flug.
Eine europäische Verordnung weitet den Anwendungsbereich des Montrealer Übereinkommens auf Flüge innerhalb eines EU-Staates, also auch innerdeutsche Flüge, aus, falls der Flug von einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in der EU vorgenommen wird. Ein Flug ist innerstaatlich, wenn sich Abflug- und Zielflughafen in demselben Staat befinden, er keine Teilstrecke eines internationalen Flugs ist und auch keine Zwischenlandung auf einem im Ausland gelegenen Flughafen erfolgt.
Fluggesellschaften mit Sitz in der EU
Das Montrealer Übereinkommen gilt in der Regel für alle gewerblichen Luftahrtunternehmen mit Sitz in der EU. Bei Flügen, die von Fluggesellschaften mit Sitz außerhalb der EU vorgenommen werden, ist entscheidend, dass sowohl der Staat des Abflugorts als auch der Staat des Zielorts das internationale Abkommen ratifiziert hat (so etwa Deutschland und die gesamte EU). Wurden ein Hin- und Rückflug einheitlich gebucht, entspricht der Bestimmungsort dem Abflugort (so genannte Rundflugtheorie). Das Erreichen des Reiseziels gilt als Zwischenlandung. Bei einem Flug von Düsseldorf nach London und zurück ist Düsseldorf sowohl Abflug- als auch Bestimmungsort. Somit kommt auch bei einem Flug von Frankfurt nach Nassau und zurück das Montrealer Übereinkommen zur Anwendung, obwohl die Bahamas das Übereinkommen bislang nicht ratifiziert haben.
„Alternative“ Warschauer Abkommen
Wurden Flüge nicht einheitlich gebucht, müssen jeweils der Abflug- und der Bestimmungsort des einzelnen Flugs in dem Gebiet eines Vertragsstaates liegen. Hat einer der Staaten, in dem sich Start- bzw. Zielort des Flugs befinden, das Montrealer Übereinkommen nicht ratifiziert, kann die Vorgängerregelung, das Warschauer Abkommen von 1929 oder eines seiner Zusatzprotokolle (zum Beispiel das Haager Protokoll von 1955 und das Zusatzabkommen von Guadalajara von 1961) zur Anwendung kommen. In solch einem Fall sollten Sie sich beraten lassen. Viele touristisch bedeutsame Staaten haben das Montrealer Übereinkommen mittlerweile ratifiziert. Den aktuellen Status der Ratifizierung können Sie bei der International Civil Aviation Organization (ICAO) abfragen.
Gegen wen richtet sich der Anspruch?
Das Montrealer Übereinkommen gilt sowohl für vertragliche wie ausführende Luftfrachtführer. Beide haften als Gesamtschuldner. Das heißt, Reisende haben die Wahl, gegen wen sie einen Schadenersatzanspruch geltend machen. Dies wirkt sich zum Beispiel beim „Code-Sharing“ aus: Buchen Passagiere einen Flug bei der Fluggesellschaft A, wird der Flug aber durch die Fluggesellschaft B durchgeführt, können sich die Fluggäste bei Gepäckschäden aussuchen, ob sie den Schaden von A oder B ersetzt verlangen. Auch für eine Pauschalreise ist die Unterscheidung von Bedeutung. Der Reiseveranstalter ist nach dem Montrealer Übereinkommen vertraglicher und das von ihm mit der Durchführung des Flugs beauftragte Luftfahrtunternehmen ausführender Luftfrachtführer. Auch hier haben Passagiere das Recht zu wählen, gegen wen sie vorgehen. Ein Kriterium kann dabei sein, gegen welches der in Frage kommenden Unternehmen sich ein Anspruch erfahrungsgemäß eher durchsetzen lässt. Bei der Prüfung von Ansprüchen durch die Flugärger-App erfolgt gegebenenfalls eine Auswahl aus Sicht von Verbraucher:innen mit Wohnsitz in Deutschland. Im Zweifel sollten Sie sich dazu beraten lassen.
Obergrenze für Schadenersatz
Die im Montrealer Übereinkommen festgelegten Haftungshöchstgrenzen sind in Sonderziehungsrechten (SZR oder englisch „Special Drawing Right“, SDR) angegeben, etwa für Gepäckschäden 1131 SZR je Reisenden. Ein Sonderziehungsrecht ist eine vom Internationalen Währungsfonds eingeführte künstliche Währungseinheit, die nicht auf den Devisenmärkten gehandelt wird. Der Wert eines Sonderziehungsrechts wird vom internationalen Währungsfonds tagesaktuell ermittelt und veröffentlicht. Im Fall einer gerichtlichen Entscheidung über zu leistenden Schadenersatz ist das Sonderziehungsrecht zu dem im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Kurs in Euro umzurechnen. Für Schadenersatzleistungen außerhalb gerichtlicher Verfahren kommt es auf den Kurswert zur Zeit der Zahlung an. Ein Beispiel: Am 17.12.2021 entsprach ein SZR aufgerundet 1,24 Euro – die Höchstgrenze dessen, was man als geschädigter Passagier an Schadenersatz zu erwarten hätte, wären demnach zu diesem Zeitpunkt rund 1.400 Euro gewesen.