Weidemilch - bedeutet das auch mehr Tierwohl?

Stand:
Welche Kriterien müssen eingehalten werden, damit später "Weide…" auf den Verpackungen stehen darf? Und ist Bio-Milch per Definition auch Weidemilch? Klare und einheitliche Kriterien gibt es bei Weidemilch noch nicht.
Kuh auf einer Weide

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Begriff "Weidemilch" ist rechtlich nicht geschützt.
  • Bei Weidemilch aus dem Supermarkt wird mit unterschiedlichen Kriterien geworben.
  • Die Mindestvorgabe, an der sich viele Milcherzeuger:innen orientieren: Die Kühe stehen an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens 6 Stunden auf der Weide.
  • Bio-Milch muss keine Weidemilch sein.
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Wie lange müssen Milchkühe auf der Weide stehen?

Bei "Weidemilch" denken viele an Milchkühe, die viel Zeit auf der Weide verbringen und Grünfutter fressen. Auf etlichen Verpackungen sind Bilder von grasenden Kühen zu sehen. 

Der Begriff "Weidemilch" ist aber lebensmittelrechtlich weder definiert noch geschützt. In Deutschland gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, wie lange Kühe auf der Weide sein sollen, um diese Bezeichnung tragen zu dürfen.

Aber die Bezeichnung "Weidemilch" ist dann nicht irreführend, wenn die Kühe an 120 Tagen im Jahr für mindestens 6 Stunden auf der Weide stehen. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg am 7. Februar 2017. Das heißt: Nach der "120/6"-Regelung würden die Milchkühe im ungünstigsten Fall an den restlichen 245 Tagen im Jahr nicht auf der Weide stehen. Die Milch wird aber das ganze Jahr über als Weidemilch verkauft.

PRO WEIDELAND Label

Pro Weideland

 

Das freiwillige PRO WEIDELAND Label wird seit 2017 durch die PRO WEIDELAND Weidecharta GmbH verwaltet und vergeben.
Der definierte Branchenstandard von mindestens 120 Tagen im Jahr mit mindestens 6 Stunden auf der Weide wird dabei um weitere Kriterien ergänzt. Landwirte, die Weidemilch mit dem PRO WEIDELAND Label produzieren, erhalten zurzeit durchschnittlich 1,5 Cent mehr pro Liter Milch. Langfristig möchte PRO WEIDELAND die Landwirte mit einem Mehrwert von 5 Cent pro Liter Milch vergüten.

Kriterien für die Erzeugung von Weidemilch

  • Pro Kuh ist eine Grünfläche von mindestens 2.000 Quadratmetern (davon mindestens 1.000 Quadratmeter Weidefläche) erforderlich.
  • Die Kühe müssen sich ganzjährig frei bewegen können.
  • Anbindehaltung ist ausgeschlossen.
  • Es darf nur gentechnikfreies Futter gegeben werden.
  • Die Einhaltung der Kriterien wird regelmäßig kontrolliert:
    • jährliche Dokumentenkontrolle (Betriebsbogen, Weidekalender und Parzellenplanung) der PRO WEIDELAND Betriebe durch die Molkerei
    • alle drei Jahre Prüfung der Betriebe durch eine externe, zertifizierte und unabhängige Kontrollstelle
  • Bei Verstößen gegen die Vorgaben von PRO WEIDELAND können Sanktionen folgen: Korrekturmaßnahmen bis zum Ausschluss aus dem Programm.

Einschätzung der Verbraucherzentralen

Die Kriterien des Labels werden transparent genannt und sind aus Sicht der Verbraucherzentralen verständlich und nachvollziehbar. Unabhängige externe Kontrollen stellen sicher, dass die Standards eingehalten werden und Erzeuger, die gegen die Regeln verstoßen, ausgeschlossen werden. Derartige Kontrollen sind für die Glaubwürdigkeit des Labels unerlässlich.

Kritikpunkt: Die Abstände zwischen den externen Kontrollen sind mit 3 Jahren zu groß.

Was unterscheidet Weidemilch von Bio-Milch?

In der EU-Öko-Verordnung ist lediglich vorgeschrieben, dass "die Tiere ständigen Zugang zu Freigelände, vorzugsweise zu Weideland" haben müssen. Aber ein Freigelände, zum Beispiel ein Auslauf, muss nicht unbedingt eine Weide sein. Die meisten deutschen Bio-Anbauverbände, wie etwa Bioland, Naturland, Demeter, Biokreis, Gäa und Verbund Ökohöfe, haben für die Weidehaltung strengere Regelungen: Sie fordern Weidegang während der Weideperiode. Allerdings werden Ausnahmen gewährt, etwa für "Altbetriebe" oder Betriebe in Innerortslagen.

Was steht auf den Milchverpackungen?

Im Supermarkt finden Verbraucher:innen Weidemilch mit unterschiedlichen Kriterien, die auf der Verpackung mehr oder weniger gut beschrieben werden. Die Hersteller geben auf ihren Verpackungen meist die Dauer der Weidehaltung an, zum Beispiel die Mindestanzahl an Weidetagen pro Jahr und die Mindestweidedauer pro Tag.

Unklar bleibt oft, wie die Haltungsbedingungen der Kühe an den restlichen Tagen im Jahr aussehen. Üblicherweise und je nach Witterung werden die Milchkühe nicht nur im Winter im Stall gehalten. Unklar bleibt auch, was zusätzlich zum Gras von der Weide gefüttert wird, wie Kraftfutter (Mischfutter mit besonders hohem Eiweiß- und Energiegehalt) oder Silage (konserviertes Grünfutter).

Auf vielen Weidemilch-Verpackungen sind zusätzliche Siegel zu finden, wie beispielsweise das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" in der Premiumstufe (mit 2 Sternen) und das "ohne Gentechnik"-Siegel. Das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" mit 2 Sternen schreibt ebenfalls Weidegang innerhalb der Vegetationsperiode für mindestens 6 Stunden täglich vor.

Wie sich der Preis der Weidemilch zusammensetzt, bleibt für die Verbraucher:innen unklar. Das steht nämlich nicht auf der Verpackung:

  • Wie viel Mehrkosten verursacht der Weidegang im Vergleich zur ganzjährigen Stallhaltung tatsächlich?
  • Wie viel vom Milchpreis kommt bei den Milchbäuer:innen an?

Worauf kann ich als Verbraucher:in achten?

Wählen Sie Weidemilchprodukte mit einem verlässlichen Siegel, etwa PRO Weideland, oder einem Bio-Siegel.

  • Als "Weidemilch" ausgelobte Milch ist meist teurer, als Milch ohne "Weide" – Kennzeichnung.
  • Auch bei Bio-Milch der deutschen Anbauverbände haben die Kühe oft Weidegang. Außerdem bietet die Bio-Landwirtschaft ökologische Vorteile gegenüber konventionellen Landwirtschaft.  Bio-Milch ist im Schnitt genauso teuer wie Weidemilch.
  • Bei Weidemilch mit dem Label PRO WEIDELAND sind die Kriterien für Verbraucher:innen verständlich erklärt.
  • Das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" in der Premiumstufe schreibt ebenfalls Weidegang vor.
  • Für weitere Informationen nutzen Sie die Homepage der jeweiligen Anbieter.
Milchverpackung
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