Haltungsform-Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten

Stand:
Seit einigen Jahren finden Sie im Handel eine einheitliche "Haltungsform"-Kennzeichnung bei Fleisch. Seit 2022 können auch Milch und Milchprodukte freiwillig gekennzeichnet werden.
Milchkarton mit Haltungskennzeichnung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Eine Haltungsform-Kennzeichnung kann Ihnen die Orientierung beim Einkauf von Milch- und Milchprodukten erleichtern.
  • Trotz vollmundiger Ankündigungen gibt es bisher nur wenige gekennzeichnete Milch-Produkte. 
  • Die Haltungsform-Kennzeichnung besteht aus 4 Stufen. Anders als beim Schulnotensystem bietet nicht Haltungsform 1, sondern  Haltungsform 4 die besten Tierhaltungsbedingungen.
  • Die Haltungsform-Kennzeichnung bewertet insbesondere Haltungsbedingungen wie den Platz, Bewegungsspielräume und Auslauf im Freien. 
  • Die Haltungsform-Kennzeichnung ist kein Tierwohllabel, sie trifft keine direkte Aussage zur Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere.
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Die landwirtschaftliche Tierhaltung steht zunehmend in der Kritik. Daher ist es nicht verwunderlich, dass "artgerechte Tierhaltung" eine der zentralen Forderungen an die Landwirtschaft ist. 

Viele Verbraucher:innen möchten beim Einkauf tierischer Lebensmittel zu besseren Tierhaltungsbedingungen beitragen. Dazu brauchen sie leicht verständliche und verlässliche Informationen, wie die Tiere gehalten wurden, von denen die Lebensmittel stammen. Doch diese Informationen können Sie leider nur selten am Produkt finden.

Immerhin: Bei verpacktem Frischfleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten finden Sie seit 2019 in vielen Geschäften eine Haltungsform-Kennzeichnung. Bei Eiern ist die Angabe der Haltungsform der Legehennen sogar gesetzlich vorgeschrieben – und das schon seit 2004. Bei konventioneller Milch und daraus hergestellten Produkten wie Joghurt und Käse gab es jedoch bislang nur ganz vereinzelte Angaben zur Tierhaltung. 

Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten: Die Haltungsformen 1 bis 4

Die größten deutschen Handelsunternehmen hatten zum Jahreswechsel 2021/22 angekündigt, ab 2022 auch Milch und Milchprodukte mit der Haltungsform zu labeln. Dazu war die 4-stufige Haltungsform-Kennzeichnung um Kriterien für die Haltung von Milchkühen erweitert worden.

Haltungsformen
Quelle: www.haltungsform.de, Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH

Achtung: Das System der Haltungsform-Kennzeichnung ist genau umgekehrt im Vergleich zum Schulnoten-System: Nicht Haltungsform 1, sondern Haltungsform 4 bietet die größten Verbesserungen in der Tierhaltung. 

 

  1. Haltungsform 1 "Stallhaltung"
    Bei Milch und Milchprodukten steht die Haltungsform 1 für den branchenüblichen Mindeststandard der Milchviehhaltung. In dieser Stufe ist davon auszugehen, dass die Tiere ausschließlich im Stall gehalten werden. Eine ganzjährige Anbindehaltung ist möglich.
  2. Haltungsform 2 "StallhaltungPlus"
    In dieser Stufe dürfen die Kühe nicht das ganze Jahr über angebunden sein. Es handelt sich entweder um eine Haltung im Laufstall (Kühe sind nicht angebunden) oder um eine sogenannte Kombinationshaltung. Kombinationshaltung bedeutet, dass die Kühe sich zumindest zeitweise im Stall, einem Laufhof oder auf der Weide frei bewegen können, falls sie doch noch angebunden gehalten werden. Zusätzlich muss im Stall ab Stufe 2 eine Kuhbürste vorhanden sein, mit der die Tiere ihr Bedürfnis erfüllen können, sich zu reiben oder zu kratzen.
  3. Haltungsform 3 "Außenklima"
    Haltungsform 3 bedeutet, dass die Kühe Kontakt mit dem Außenklima haben, beispielsweise durch eine nach außen offene Stallseite oder einen ganzjährig nutzbaren Laufhof im Freien. Wenn beides nicht gegeben ist, muss den Tieren mindestens an 120 Tagen pro Jahr Weidegang gewährt werden. Im Stall wird mehr Platz gefordert als in Stufe 2. Zusätzlich ist ab Haltungsform 3 die Anbindehaltung verboten und Futter ohne Gentechnik vorgeschrieben.
  4. Haltungsform 4 "Premium"
    Erst in Stufe 4 haben tatsächlich alle Kühe Auslauf im Freien: Hier ist ein ganzjährig nutzbarer Laufhof und zusätzlicher Weidegang an mindestens 120 Tagen pro Jahr vorgeschrieben. Das Futter muss nicht nur gentechnikfrei sein, sondern auch überwiegend vom eigenen Betrieb oder aus der Region stammen.
    In diese Stufe ist Biomilch eingeordnet. Aber auch konventionell erzeugte Milch findet sich hier, wenn die Tierhaltung die beschriebenen Anforderungen erfüllt.
Fazit:
Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen nur die Haltungsformen 3 und 4 für deutlich verbesserte Haltungsbedingungen der Milchkühe.

Transparenz im Milchangebot: Nach wie vor gering

Die Haltungsform-Kennzeichnung bei Milch und Milchprodukten schaffe "vollständige Transparenz", so dass Verbraucher:innen sich "bewusst für mehr Tierwohl entscheiden können". Sie würden beim Einkauf "auf den ersten Blick erkennen, wie hoch das Tierwohl-Niveau bei der Haltung der Milchkühe ist". So die vollmundigen Versprechen in den Pressemitteilungen der Handelsunternehmen.

Tatsache ist jedoch: Das Angebot in den Geschäften ist immer noch weitgehend intransparent. Gekennzeichnet sind insbesondere Bio-Milch und die Bio-Milchprodukte der Eigenmarken von Handelsunternehmen. Sie sind mit Haltungsform 4 "Premium" gelabelt. Doch Bio-Produkte sind gerade diejenigen, bei denen die Haltungsform-Kennzeichnung am wenigsten benötigt wird. Denn Bio ist die einzige Tierhaltungsform, die gesetzlich definiert und bereits einfach durch das EU-Bio-Label erkennbar ist.

Viel wichtiger wäre es daher, bei den übrigen Angeboten von konventioneller Milch und Milchprodukten Transparenz über die Haltungsbedingungen der Milchkühe zu schaffen. 

Bei diesen Produkten werden die tatsächlichen Haltungsbedingungen bisher viel zu oft durch schönfärberische Werbung verschleiert. Durch die Haltungsform-Kennzeichnung würde so manche vermeintlich "beste Milch von glücklichen Kühen auf herrlichen Bergweiden" tatsächlich der Haltungsform 1 oder 2 überführt.

Ob es irgendwann vollständige Transparenz im Angebot von Milch und Milchprodukten geben wird, ist unklar: Bisher geben die Händler allenfalls bei einem Teil ihrer Eigenmarken-Produkte die Haltungsform an. 

Immerhin sind mittlerweile auch Milchprodukte aus den Haltungsformen 3 und 4 zu finden. Im Frühjahr 2022 war quasi nur Trinkmilch mit der Haltungsform gekennzeichnet – und davon nur ein kleiner Teil: Bio-Milch und teilweise konventionelle Weidemilch. Im Mai 2024  haben die Verbraucherzentralen bei den teilnehmenden Händlern festgestellt, dass das Gros der Milchprodukte der Bio-Eigenmarken mit der Haltungsform 4 "Premium" ausgelobt ist, außerdem vielfach konventionelle Weidemilch mit Haltungsform 3 "Außenklima" oder Haltungsform 4 "Premium".

Und auch die "Standardmilch" der Eigenmarken – fettarme und Vollmilch, sowohl frische als auch H-Milch – ist oft mit Haltungsform 3 "Außenklima" gelabelt. Daneben sind auch einige konventionelle Käse-Produkte aus Haltungsform 3 im Angebot, wie Frischkäse, Scheibenkäse und Käse am Stück und vereinzelt auch konventionelle Butter aus der Haltungsform 3.

Haltungsform 1 und Haltungsform 2 sind nicht zu finden. Darüber schweigen sich die Anbieter lieber aus und geben gar keine Haltungsform an.

Die "Haltungsform"-Kennzeichnung ist kein Tierwohllabel

Wenn tatsächlich – irgendwann – möglichst alle Angebote von Trinkmilch und Milchprodukten mit den Haltungsformen 1 bis 4 gekennzeichnet sein sollten, wäre die Haltungsform-Kennzeichnung eine gute Hilfestellung für die Auswahl von Milch-Produkten aus verbesserter Tierhaltung. Die Kennzeichnung garantiert aber nicht, dass es den Tieren wirklich besser geht. Denn weder mehr Platz und Kuhbürsten im Stall, noch Außenklimakontakt oder selbst der Weidegang ermöglichen eine direkte Aussage zur Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere.

Für verlässliche Aussagen zum Tierwohl müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien wie Lahmen, Verletzungen, Organbefunde usw. in der Tierhaltung und am Schlachthof systematisch erhoben und ausgewertet werden – und bei Auffälligkeiten die Tierhaltung nachgebessert werden. Solche Erhebungen zum Tierwohl in der Tierhaltung sind im Rahmen der beschriebenen Haltungsform-Kennzeichnung nicht vorgesehen.

Staatliche Tierhaltungskennzeichnung muss zügig auf alle Fleisch- und Milchprodukte ausgeweitet werden

Frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland muss künftig mit der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden. Diese verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung von Schweinefleisch ist durch das deutsche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz geregelt. Voraussichtlich spätestens ab Sommer 2025 muss sie in allen Verkaufsstellen und im Online-Handel umgesetzt werden. Fleisch von Schweinen macht den Anfang, weitere Tierarten sollen folgen.

Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung ist von der oben beschriebenen freiwilligen Haltungsform-Kennzeichnung des Handels zu unterscheiden, auch wenn es inhaltlich weitgehende Übereinstimmung bei den Haltungsformen für Schweine gibt.

Der Vorteil der verpflichtenden staatlichen Kennzeichnung ist, dass das komplette Angebot mit der Haltungsform gekennzeichnet werden muss: Neben den Eigenmarken des Handels also auch die Herstellermarken-Produkte. Und die Anbieter dürfen sich nicht darauf beschränken, die verkaufsfördernden Haltungsformen anzugeben – wie Haltungsform 3 und 4 bei Milch und Milchprodukten.

Sie müssen bei jedem Produkt transparent sein, dementsprechend auch  Tierhaltung im "Stall" nach dem absoluten Mindeststandard (entspricht "Haltungsform 1") angeben und die Tierhaltung im Stall mit ein wenig mehr Platz: "Stall+Platz" oder "Haltungsform 2".

Eine solche, das gesamte Angebot in allen Verkaufsstätten umfassende Kennzeichnungspflicht der Tierhaltungsform braucht es auch für Milch und Milchprodukte. Allerdings ist im Moment nicht absehbar, ob und wann die verpflichtende staatliche Kennzeichnung auf Milch ausgedehnt wird.

Doch auch die nationale Tierhaltungskennzeichnungs-Pflicht ist nur als Übergangslösung geeignet, denn sie lässt die importierten Produkte außen vor. 

Mittelfristig ist daher eine verbindliche europäische Kennzeichnung erforderlich, die Transparenz über das gesamte Angebot – einschließlich des gesetzlichen Mindeststandards – herstellt und auch für Zutaten tierischer Herkunft in verarbeiteten Lebensmitteln, in der Gastronomie und in der Gemeinschaftsverpflegung gelten sollte. Nur so können endlich Schlupflöcher für importiertes Billigfleisch, Milchprodukte oder Käfigeier gestopft werden, die kaum noch jemand auf dem Teller haben möchte.

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