Gutscheinzwang für abgesagte Konzerte und Fitnessstudios

Pressemitteilung vom
Details der geplanten Neuregelung im Überblick

Gutscheinzwang für abgesagte Konzerte und Fitnessstudios – Details der geplanten Neuregelung im Überblick

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Um die Folgen der Corona-Krise für Unternehmen abzufedern, hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der geltendes Verbraucherrecht außer Kraft setzt. Sollte das Gesetz so vom Bundestag verabschiedet werden, müssten die Kosten für entgangene Veranstaltungen oder Abo Leistungen den Kunden vorerst nicht erstattet werden. Stattdessen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher Gutscheine akzeptieren, deren Wert sie sich erst nach Ende 2021 auszahlen lassen können. Die Verbraucherzentrale NRW lehnt diese Gesetzespläne ab. „Per Gesetz zinslose Zwangskredite der Kunden an die Unternehmen zu verfügen und dabei gleichzeitig das Insolvenzrisiko der Firmen auf die Kunden abzuwälzen, ist nicht in Ordnung. Hier muss dringend nachgebessert werden“, kritisiert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Welche Folgen der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung konkret für die Rechte der Verbraucher im Einzelnen hätte, erklärt Thomas Bradler, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW, im Einzelnen:

Welche Arten von Veranstaltungen und Freizeiteinrichtungen wären von der Gutscheinpflicht betroffen?

Die geplante Regelung gilt für Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltungen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnten oder können. Voraussetzung ist, dass die Karten vor dem 8. März 2020 gekauft worden sind. Der Gesetzesentwurf nennt konkret Konzerte, Festivals, Theatervorstellungen, Lesungen, Filmvorführungen oder Sportwettkämpfe. Als Freizeiteinrichtungen werden Museen, Freizeitparks, Tierparks, Schwimmbäder oder Sportstudios aufgeführt. Aufgrund der sehr weiten Formulierung "sonstige Freizeitgestaltungen" ist jedoch damit zu rechnen, dass beinahe sämtliche kostenpflichtige Veranstaltungen unter die gesetzliche Regelung fallen werden. Ausgenommen sind lediglich solche, die im beruflichen Kontext erfolgen, wie Fortbildungen und Seminare, oder sich vorrangig an ein Fachpublikum wenden, wie etwa Fachmessen und Kongresse.

Gilt die geplante Regelung auch für Fitnessstudios, Dauerkarten und Veranstaltungen mit mehreren Terminen?

Ja, von dem Gesetzentwurf sind ausdrücklich auch solche Veranstaltungen oder Abonnements umfasst, die an mehreren Terminen stattfinden, wie etwa Musik-, Sprach- oder Sportkurse. Das schließt ausdrücklich auch laufende Verträge mit Fitnessstudios ein, soweit Beiträge bereits im Voraus bezahlt wurden. Die Regelung gilt außerdem für Monats-, Saison- oder Jahreskarten sowie für "Dauerkarten", die etwa zum Besuch sämtlicher Heimspiele eines Sportvereins berechtigen.

Welche Rechte hätten Verbraucher nach Inkrafttreten des Gesetzes noch bei Verträgen?

Sollte der Gesetzentwurf wie geplant umgesetzt werden, hat der Verbraucher einen Anspruch auf einen reinen Wertgutschein, es darf sich also nicht um einen Sachgutschein handeln. Ebenso darf der Gutschein nicht auf die Einlösung für eine eventuelle Nachholveranstaltung der abgesagten Veranstaltung beschränkt sein. Der Inhaber des Gutscheins kann also frei entscheiden, ob er den Wertgutschein für eine Eintrittskarte zu dem Nachholtermin einlöst oder für eine alternative Veranstaltung desselben Anbieters verwendet. Der Wert des Gutscheins muss dem Eintrittspreis einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren entsprechen. Bei Monats-, Jahres-, Saison- oder Dauerkarten, wird die Höhe des Gutscheins anteilig dem Wert des nicht nutzbaren Teils berechnet.

Sind Ausnahmen von der Pflicht geplant, einen Gutschein zu akzeptieren?

Ja, der Verbraucher kann von dem Betreiber oder Veranstalter die Auszahlung des Gutscheinwerts verlangen, wenn die Gutscheinlösung für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der Inhaber einer Eintrittskarte die Veranstaltung im Rahmen einer Urlaubsreise besuchen wollte und einen Nachholtermin nur wahrnehmen könnte, wenn er dafür hohe Reisekosten in Kauf nimmt. Aber auch, wenn der Inhaber des Gutscheins nachweisen kann, dass er ohne Auszahlung des Gutscheinwerts aktuell nicht in der Lage ist, existentiell wichtige Lebenshaltungskosten wie Miete oder Energierechnungen zu begleichen.

Wie soll dem Verbraucher der Gutschein ausgehändigt werden?

Der Anbieter muss dafür Sorge tragen, dass der Verbraucher den Gutschein erhält. Er kann ihm zum Beispiel in einer Vorverkaufsstelle persönlich ausgehändigt oder per Brief oder E-Mail übersandt werden. Für Ausstellung oder Übersendung des Gutscheins dürfen dem Kunden aber keine Kosten entstehen. Aus dem Gutschein muss außerdem hervorgehen, dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes verlangen kann, wenn ihm die Ausstellung nicht zumutbar ist oder er den Gutschein nicht bis zum 31.12.2021 eingelöst hat.

Wie sollten sich Verbraucher jetzt verhalten?

Die Regelungen sind bisher weder in Kraft noch vom Bundestag verabschiedet. Nach derzeitiger Rechtslage haben Verbraucherinnen und Verbraucher noch Erstattungsansprüche für nicht erbrachte Leistungen. Einige Verbraucher haben ihren Anbietern bereits Fristen zur Auszahlung gesetzt. Wer jetzt für den Gang zu Gericht oder zum Rechtsanwalt Kosten produziert, droht im schlimmsten Fall auf diesen sitzen zu bleiben. Wir raten daher nun dazu abzuwarten und keine unnötigen Kosten zu verursachen, bis Klarheit über die Gutscheinlösung herrscht. Wenn die Regelung in Kraft tritt, ist erster Ansprechpartner der Verbraucher übrigens der Veranstalter und nicht die Vorverkaufsstelle, die aber oft vom Veranstalter mit der Rückabwicklung beauftragt wird.

Weitere Informationen erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher aus NRW über die Corona-Hotline (Tel. 0211-3399 58 45) der Verbraucher­zentrale NRW oder per Mail unter service@verbraucherzentrale.nrw.

Auch die örtlichen Beratungsstellen der Verbraucherzentrale NRW geben rechtliche Hilfestellungen zu akuten Verbraucherfragen – bis auf Weiteres ausschließlich telefonisch oder per E-Mail. Kontaktdaten online unter www.verbraucherzentrale.nrw/beratung-vor-ort.

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