Frage
Woran erkennt man, ob Nanopartikel/-materialien in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind? In welchen Fällen unterliegen sie einer Kennzeichnungspflicht und welche Ausnahmen davon gibt es? Wie verhält es sich mit dieser Kennzeichnungspflicht bei Laktasetabletten mit Titandioxid?
Antwort
Nahrungsergänzungsmittel zählen rechtlich zu den Lebensmitteln. Deshalb gilt in Bezug auf die Kennzeichnung von Nanopartikeln die EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV).
Sie schreibt vor, dass alle Zutaten, die in Form technisch hergestellter Nanomaterialien vorhanden sind, im Zutatenverzeichnis eindeutig aufgeführt werden müssen. Und zwar muss auf die Bezeichnung solcher Zutaten in Klammern das Wort "Nano" folgen.
Unter "technisch hergestelltem Nanomaterial" wird laut LMIV kurz zusammengefasst jedes absichtlich hergestellte Material in einer Größenordnung von 100 Nanometer (nm) und weniger verstanden.
Diese Definition wird zum Beispiel von der Lebensmittelüberwachung als unzureichend kritisiert, weil sie teilweise nicht eindeutig ist. Außerdem mangelt es bisher an analytischen Nachweismethoden, mit denen der Gehalt an Nanomaterialien eindeutig bestimmt werden kann. Da es auf EU-Ebene noch andere "Nano-Definitionen" gibt, existieren auch unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Stoffe in Lebensmitteln als Nanomaterial anzusehen sind und welche nicht.
Da Lebensmittel, die mit Hilfe von Nanotechnologien hergestellt werden, als "neuartig" gelten, unterliegen sie außerdem der Novel-Food-Verordnung. Aus dieser Verordnung geht hervor, dass solche Lebensmittel von der EU-Kommission zugelassen werden müssen, bevor sie in den Verkehr gebracht werden. Für sie muss eine Sicherheitsbewertung durchgeführt werden.
Laut dem 2022 eingestellten Nanoportal Baden-Württemberg "Nanotechnologien im Alltag" des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gab es bis dahin kein auf dem europäischen Markt zugelassenes kein Nano-Lebensmittel. Es gibt in Deutschland jedoch Nahrungsergänzungsmittel, die den Begriff "nano" in der Zutatenliste oder in den Produktbeschreibungen aufführen. Fast immer handelt es sich dabei um Siliciumdioxid, seltener um Silber oder Gold. Letztere beide sind nur als Farbstoffe, nicht aber als Nährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen. Aus Frankreich wird im Dezember 2022 von einem Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin C und Hagebutte (Fa. Solgar) berichtet, in welchem 100 % nanoskaliges Siliciumdioxid ohne Kennzeichnung gefunden wurde.
Zusatzstoffe:
Bei der regelmäßigen Neubewertung der Lebensmittelzusatzstoffe durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird bei einigen Zusatzstoffen auch überprüft, ob sie als technisch hergestellte Nanomaterialien gelten: Das betrifft die Zusatzstoffe Pflanzenkohle (E 153), Calciumcarbonat (E 170), Titandioxid (E 171), Eisenoxide und Eisenhydroxide (E 172), Silber (E 174), Gold (E 175), Siliciumdioxid (E 551), Calciumsilicat (E 552), Magnesiumsilicat (E 553a) und Talkum (E 553b). Die grundsätzlich notwendige Zulassung von Zusatzstoffen - bevor sie in Lebensmitteln verwendet werden dürfen - bezieht sich auf einen Stoff in eindeutig definierter Zusammensetzung. Soll ein Zusatzstoff nun anders als bisher üblich als Nanopartikel eingesetzt werden, müsste er das Zulassungsverfahren erneut durchlaufen.
Titandioxid:
Bei dem weißen Farbstoff Titandioxid sah die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA 2016 bei der Neubewertung des Stoffes in der oralen Aufnahme (noch) kein Problem, wohl aber bei der inhalativen Aufnahme. Anfang Mai 2021 erfolgte seitens der EFSA die Einstufung als "nicht sicher". Daraufhin hat die EU vorgeschlagen, die Verwendung des Zusatzstoffes in Nahrungsergänzungsmitteln (und anderen Lebensmitteln) zu verbieten. Das Verbot der Verwendung von Titandioxid in Lebensmitteln gilt seit dem 7. Februar 2022. Seit dem 8. August 2022 dürfen Lebensmittel, die E 171 enthalten, nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Bereits im Verkehr befindliche dürfen bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum auf dem Markt bleiben.
Achtung: Titandioxid ist auch in vielen Medikamenten (z.B. Schmerztabletten) enthalten. Die Verwendung als Hilfsstoff in Arzneimitteln ist mindestens noch fünf weitere Jahre erlaubt, die Notwendigkeit wird aber bis 2025 auf den Prüfstand gestellt. Außerdem wird Titandioxid in (Kinder-)Zahnpasta (als CI 77891) verwendet.
Ausnahmen zur Kennzeichnungspflicht nach LMIV:
Wenn es sich bei Zutaten, die nicht in der Zutatenliste genannt werden müssen, um Nanomaterialien handeln würde, wäre eine Kenntlichmachung nicht erforderlich. Darunter fallen zum Beispiel Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelenzyme, die im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr haben oder als Verarbeitungshilfsstoffe eingesetzt werden.
Weiterhin findet keine Kennzeichnung von Nanopartikeln statt, wenn diese nicht absichtlich erzeugt wurden bzw. natürlicherweise vorliegen. Zum Beispiel werden in Nahrungsergänzungsmitteln bereits sogenannte Nanokapseln beispielsweise aus Beta-Cyclodextrin (E459), Polysorbaten (E 432 – 436) oder Lecithin (E 322) eingesetzt. Sie sollen Vitamine und Mineralstoffe im Körper an die richtige Stelle bringen. Die Größe der Kapseln liegt zwar im Nanobereich, allerdings kommen sie auch natürlicherweise vor. Da sie keine neuartigen Eigenschaften besitzen und sich im Körper auflösen, werden sie nicht als Nanomaterialien eingestuft und unterliegen somit keiner Zulassungspflicht.
Wenn es sich bei Ihren Lactasetabletten um Nahrungsergänzungsmittel bzw. Lebensmittel (nicht Arzneimittel) handelt, gelten die oben gemachten Ausführungen zur Kennzeichnung von Nanomaterialien. Allerdings gibt es auch Laktasetabletten, die Arzneimittel sind. Diese können weiterhin Titandioxid enthalten.
In Bio-Produkten dürfen keine technologisch hergestellten Nanomaterialien eingesetzt werden.
Zum Weiterlesen:
- Neubewertung von Titandioxid: BfR zieht ähnliche Schlüsse wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Stellungnahme Nr. 038/2021 vom 08.12.2021
- BfR: Titandioxid – gibt es gesundheitliche Risiken? Stand: 21.05.2021 (abgerufen am 29.11.2021)
- BfR: Lebensmittelzusatzstoff Titandioxid (E 171) auf dem Prüfstand: Neubewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Stand:06.05.2021 (abgerufen am 29.11.2021)
- LGL Bayern: Titandioxid. Stand: 20.08.2021 (abgerufen am 29.11.2021)
- DaNa – Informationen zur Sicherheit von neuen, innovativen Materialien und Nanomaterialien: Nanomaterialien in Lebensmitteln (abgerufen am 29.11.2021)
- Europäische Kommission (2021): Re-evaluation. Questions & Answers on titanium dioxide (abgerufen am 29.11.2021)
- Verordnung (EU) 2022/63 der Kommission vom 14. Januar 2022 zur Änderung der Anhänge II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Lebensmittelzusatzstoffs Titandioxid (E 171)
- Rücker M (2021): Weshalb Titandioxid trotz Sicherheitsbedenken noch jahrelang zigtausenden Arzneimitteln beigemischt werden darf. Medwatch, Stand: 22.08.2022
- Veille Nanos par AVICENN: Sur 23 produits du quotidien testés par AVICENN, 20 contiennent des nanos, non étiquetés, parfois même non autorisés. Stand: 15.12.2022
Im Internet gibt es verschiedene Datenbanken zu Produkten mit Nanomaterialien, zum Beispiel:
Nanotechnology Consumer Products Inventory (USA)
The Nanodatabase (Dänemark, englischsprachig)