"Im Quartier. Für Sie. Da" Ein Jahr aufsuchende Verbraucherarbeit in Köln
Jeden Monat viel zu hohe Telefonkosten, Stromrechnungen, die das eigene Budget ins Minus setzen, Ärger mit Anbietern wegen unbezahlter Rechnungen und untergeschobenen Verträgen: Mit Informationen und Rechtsberatung zum Kauf von Produkten und der Nutzung von Dienstleistungen ist die Verbraucherzentrale NRW seit einem Jahr in den Kölner Stadtteilen Chorweiler Blumenberg Seeberg-Nord und Kalk Humboldt/Gremberg sowie Höhenberg/Vingst mobil unterwegs.
Die Mitarbeiterinnen der Verbraucherzentrale NRW beschreiten unter dem Motto "Im Quartier. Für Sie. Da." einen neuen Weg aufsuchender Verbraucherberatung: In den Kölner Sozialräumen suchen sie besonders hilfs- und schutzbedürftige Menschen auf. Im Gepäck sind grundlegende Informationen und oft dringend benötigter rechtlicher Rat zur Bewältigung von täglichen Verbraucherproblemen: Vom "Nein" zu einem aufdringlichen Werbegespräch an der Haustür oder am Telefon übers kundige Lesen von Kleingedrucktem bis hin zur Kündigung von unliebsamen Verträgen und der Drosselung überzogener Inkassoforderungen erklärt und übersetzt das Quartiersteam der Verbraucherzentrale komplizierte und komplexe Sachverhalte in eine leicht verständliche Sprache, berät und weist Ratsuchenden einen Weg zu möglichen Problemlösungen. Zu den Aufgaben gehören auch die Übernahme des Schriftverkehrs und die außergerichtliche Rechtsvertretung bei Problemen mit Anbietern.
"Der Gang in die Quartiere hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern, die aus vielschichtigen Gründen den Weg in eine Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW bislang nicht gefunden haben. Das niedrigschwellige Angebot ebnet einen leichten Zugang zu dringend benötigter Verbraucherberatung und weiterführender Hilfe", erläutert NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel die Idee. "Das Land unterstützt den Modellversuch zur aufsuchenden Verbraucharbeit, der sich nach einem Jahr schon als erfolgreich erweist, sehr gern."
Gefangen in unnötigen, zu teuren und nachteiligen Verträgen, über den Tisch gezogen bei Verkaufsgesprächen im Wohnzimmer oder vorm Supermarkt, geknebelt durch Forderungen von Online-Firmen, die rechtlich und medientechnisch versiert immer eine Nasenlänge voraus agieren: Eine wachsende Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft, die über ein schmales Budget, oft auch nur über ein geringes Maß an Bildung verfügen und mit Sprachbarrieren kämpfen, haben als Konsumenten oftmals das Nachsehen: Sie kennen ihre Verbraucherrechte nicht, übersehen das Kleingedruckte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, können ihre Wünsche und Ansprüche oft nicht richtig artikulieren und verstehen schlicht meist nicht, wie und was ihnen geschieht. Unseriöse Anbieter haben bei dieser Verbrauchergruppe leichtes Spiel und gehen deshalb gezielt in strukturell benachteiligten Milieus auf Kundenfang. Doch Abzocke und Fehlentscheidungen im Verbraucheralltag wiegen in einkommensarmen Haushalten doppelt schwer und sind von Betroffenen allein oftmals nicht zu bewältigen.
Aufklärung und Anleitung zur Selbsthilfe sind von daher so früh wie möglich gefragt, damit benachteiligte Familien, Alleinerziehende, Senioren oder unzureichend integrierte Quartiersbewohner aus anderen Herkunftsländern mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche und Wünsche in der immer komplexer werdenden Konsum- und Warenwelt nicht auf der Strecke bleiben. "Bewohnerinnen und Bewohner mit multiplen Problemen in benachteiligten Quartieren der Stadt erfahren durch das direkte Hilfsangebot eine zusätzliche Wertschätzung. Für die sozialen Einrichtungen vor Ort ist die mobile Verbraucherberatung eine hilfreiche Entlastung und Ergänzung ihrer überaus wichtigen Arbeit", hebt Sozialdezernent Harald Rau die Bedeutung des niedrigschwelligen Beratungsangebots für die Stadt Köln hervor: "Die enge Zusammenarbeit und gute Vernetzung mit den lokalen Multiplikatoren macht einen weiteren Mehrwert der aufsuchenden Verbraucherarbeit aus."
"Erfolgreiche Lösungen von meist gebündelt auftretenden Problemen im Konsumentenalltag gelingen uns am ehesten, indem wir hilfsbedürftige Verbraucherinnen und Verbraucher an den Orten aufsuchen und auf der Ebene ansprechen, an denen sie sich befinden. Hierzu bieten wir Infostände, zahlreichende vorbeugende Materialien, regelmäßige Sprechstunden in den Quartieren und zielgruppenspezifische Bildungsveranstaltungen für Ratsuchende und Multiplikatoren an", zählt NRW-Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski die Grundzüge der aufsuchenden Beratung auf.
Um möglichst viele hilfsbedürftige Menschen dort zu treffen, wo sie sich im Alltag aufhalten, haben Ute Bembennek und Dagmar Kautz als Team bereits im Vorfeld intensive Kontakte zu den vorhandenen Begegnungsstätten, Jugend- und Senioreneinrichtungen, Schulen, Vereinsheimen, kirchlichen Gemeindezentren und Religionsgemeinschaften in den drei Stadtquartieren geknüpft und ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut. Mit ihrem neuen Zugangskonzept werden sie in den Einrichtungen sowohl von den Besuchern als auch von den Mitarbeitern mit offenen Armen empfangen. Ihre speziellen Unterstützungsangebote verbreiten sich rasch von Mund zu Mund.
Rechtliche Informationen und leicht verständliche Antworten auf viele Fragen aus dem Verbraucheralltag sind ein wertvoller Baustein zur bisherigen Betreuungs- und Bildungsarbeit, wie das Beispiel Kulturbrücke des Bürgerzentrums Chorweiler zeigt. In dem kulturellen Treffpunkt werden Besucher seit März vergangenen Jahres einmal wöchentlich rechtlich von den beiden Quartiersberaterinnen bei ihren Verbraucherproblemen beraten. Als nächste Etappe standen dort ab Mai Informationsveranstaltungen zu Themen wie Abzocke im Internet und dubiose Geschäfte an der Haustür für ältere Konsumenten auf dem Programm. Darüber hinaus beraten die Beraterinnen der Verbraucherzentrale NRW auch seit letztem Frühjahr Besucher des Bürgerzentrums Höhenberg/Vingst sowie des Nachbarschaftstreffs Kalk und machen sie dort mit Tricks und Tipps rund um windige Geschäfte an der Haustür, Kaffeefahrten, Telefon- und Energieversorgungsverträge vertraut.
Die Verbraucherzentrale NRW erprobt das neue Modell "Verbraucherberatung im Quartier" in den ausgewählten Sozialräumen in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Köln. Das NRW-Landesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und die Stadt Köln fördern den neuen Beratungsansatz mit wissenschaftlicher Begleitung bis Ende 2019.
Auskünfte zu Beratungsangeboten und Veranstaltungen erteilt das Quartierteam telefonisch sowie per E-Mail unter (02 21) 846 188 88 und koeln.quartier@verbraucherzentrale.nrw.