Bilanz 2017: Über 790.000 Ratsuchende - erfolgreich gegen Inkassoabzocke

Pressemitteilung vom
Für rund 790.000 Ratsuchende war die Verbraucherzentrale NRW gefragte Anlaufstelle. Weit verbreiteten Maschen massiver Kostentreiberei konnte sie erfolgreich Einhalt gebieten.
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Gratisspiele-Apps, die mit Abbuchungen auf der Telefonrechnung überraschten. Unseriöse Werber für digitalen Fernsehempfang. Und auch die Klassiker unter den Abzockern sind 2017 bei der Verbraucherzentrale NRW wieder mit tückischen Geschäftsmodellen oder durchs Unterschieben unberechtigter Forderungen aufgefallen. Für rund 790.000 Ratsuchende war sie gefragte Anlaufstelle. Weit verbreiteten Maschen massiver Kostentreiberei konnte sie erfolgreich Einhalt gebieten: Nach Beanstandung durch die Verbraucherzentrale NRW haben der Onlineshop Zalando, das Telekommunikationsunternehmen 1&1 und der Energieversorger Vattenfall ihre Inkassodienstleister auf ein seriöses Forderungsmanagement verpflichtet. Die Verbraucherschützer hatten moniert, dass nicht gezahlte Forderungen außergerichtlich sowohl durch ein Inkassobüro als auch durch Rechtsanwälte angemahnt werden und der Kunde hierdurch doppelt zur Kasse gebeten wird. Insbesondere Bagatellforderungen wuchsen durch die unzulässige parallele Beauftragung von Inkassobüro und Rechtsanwalt auf das Mehrfache an. Gegen den Pay-TV-Sender Sky, der angekündigt hat, an dem kritisierten Verfahren festhalten zu wollen, prüft die Verbraucherzentrale NRW nun das weitere rechtliche Vorgehen.

Mitte 2017 hatte die Verbraucherzentrale NRW große Auftraggeber von Inkassobüros aufgefordert, als Ursprungsgläubiger für ein seriöses Forderungsmanagement ihrer Dienstleister zu sorgen. Denn viele Verbraucher hatten sich immer wieder über deren Kostentreiberei beschwert. „Da wurden bei offenen Hauptforderungen von 10 oder 20 Euro für standardisierte Schreiben aus dem Computerprogramm Gebühren von 70,20 Euro entsprechend der ‚anwaltlichen Mittelgebühr‘ verlangt. Und das, obwohl Gerichte schon entschieden haben, dass Inkassounternehmen nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen dürfen“, erläuterte NRW-Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski. Viele Inkassounternehmen kassierten sogar doppelt, wenn erst eine Inkassofirma und dann nach kürzester Zeit ein im Auftrag des Inkassounternehmens tätiger Rechtsanwalt nacheinander eingeschaltet wurden. „Kosten von zwei Inkassoakteuren, die in der gleichen Sache unterwegs sind, standardmäßig auf Verbraucher abzuwälzen, ist ebenfalls unzulässig“, so Schuldzinski. Drei der vier angeschriebenen Unternehmen haben auf die Kritik reagiert und zugesagt dafür zu sorgen, dass ihre Inkassodienstleister künftig im vorgerichtlichen Inkasso keine doppelten Kosten mehr in Rechnung stellen. „Ein echter Erfolg für den Verbraucherschutz. Andere Unternehmen sollten diesen Beispielen folgen“, erhofft sich der Verbraucherzentralenvorstand Nachahmereffekte. Gegen den Pay-TV-Sender Sky, der an der kritisierten Kostentreiberei seines Inkassodienstleisters nichts ändern will, prüft die Verbraucherzentrale NRW derzeit, ob sie ein Abmahnverfahren einleiten wird.

Erfolgreich hat die Verbraucherzentrale NRW vor dem Bundesgerichtshof gegen unzulässige Kontogebühren bei Bausparverträgen und für das Sonderkündigungsrecht von Energiekunden geklagt, wenn Anbieter ihre Preise wegen gestiegener Abgaben und Steuern erhöhen.

Geschickte Täuschung, damit arglose Nutzer kostenpflichtige Bestellungen vornehmen oder in ungewollte Abos tappen – der digitale Verbraucheralltag war 2017 gespickt mit Stolperfallen. Die Verbraucherzentrale hat besonders die Tücken vermeintlich kostenloser Spiele-Apps für Smartphone und Tablet in den Blick genommen. Dabei hatte sich gezeigt, dass die Spielemacher Nutzer laufend durch geschickte Programmierungen animieren, den kostenlosen Sektor zu verlassen, um durch den Zukauf von vielerlei Elementen den Spieleverlauf voranzutreiben. Eingeschlossen die Gefahr, von dann kostenpflichtigen Angeboten überrascht zu werden und den Überblick zu verlieren, wie schnell Spielebeschleuniger oder weitere Komponenten mit Kosten zwischen 99 Cent und bis zu 99 Euro ins Geld gehen können. Die Verbraucherzentrale NRW forderte daher, dass Anbieter von Onlinespielen Preislisten für alle Zusatzangebote offenlegen müssen.
Durch eine 2017 verabredete Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gehört auch „IT-Sicherheit“ zum Portfolio: sicherheitsrelevante Aspekte von „Smart home“ oder vernetztem Spielzeug sind dabei aktuelle Themenstellungen.

Vor allem ältere Kabelkunden waren Zielgruppe von Werbern für Produkte der Unitymedia NRW GmbH: „Bei ihren Besuchen hatten sie an der Wohnungstür Ängste im Hinblick auf die Einstellung des analogen TV-Programms am 30. Juni 2017 geschürt“, berichtet Schuldzinski aus dem Beratungsalltag. Dadurch verunsichert seien dann unüberlegt oft überflüssige und teure Verträge für Telefonie und Internet oder zusätzliche kostenpflichtige TV-Angebote abgeschlossen worden. „Die Werber hatten dabei auf Unkenntnis gesetzt. Denn dass für die anstehende Umstellung von analogem auf digitalen Kabel-Empfang keine neuen Verträge notwendig sind – das hatten sie natürlich nicht verraten.“ Ratsuchende berichteten auch, dass ihnen in Unitymedia-Shops langfristige Paketverträge mit Fernsehen, Internet und Telefonie als einzige Alternative zum schwarzen Bildschirm aufgezeigt worden waren. Dabei wurden dann monatliche Gebühren und eine einmalige Anschlussgebühr fällig. Für den Anschluss ans digitale Kabelzeitalter hätte es tatsächlich jedoch nur eines neuen digitalen Receivers bedurft.

Das Projekt zur »Verbraucherinformation im Quartier«, das die Verbraucherzentrale NRW seit 2016 in einem strukturell benachteiligten Bonner Stadtbezirk durchführt, hat sich als Vorbild für aufsuchende Verbraucherarbeit gezeigt und geht nun sukzessive als bundesweites Projekt in allen Bundesländern an den Start.

In über 900  Veranstaltungen hat die Verbraucherzentrale NRW mehr als 20.000 Kindern und Jugendlichen das Einmaleins des Verbraucherdaseins nahe gebracht. Und im Projekt „Get in“ hat sie 7.500 Geflüchteten in über 500 Integrationskursen oder bei Vorträgen Wissenswertes rund um die Themen erste eigene Wohnung, Handynutzung oder Energiesparen vermittelt und so das Ankommen im Verbraucheralltag erleichtert.

www.verbraucherzentrale.nrw/jahresbericht2017

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