"Faire Milch" = faire Preise?

Stand:
"Faire Milch" gibt es in den Regalen der Supermärkte und Discounter von verschiedenen Marken. Doch was steckt dahinter und wie viel von den fairen Preisen kommt am Ende bei den Milchbauern an?
Frau gießt Milch aus einer Kanne in ein Glas auf einem Feld

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bezahlt werden die Landwirt:innen von den Molkereien, die Milch an den Lebensmitteleinzelhandel verkaufen. Durch den intensiven Wettbewerb und wechselnde Nachfrage gibt es stark schwankende Milchpreise.
  • Bei niedrigen Milchpreisen können viele Milchviehhöfe ihre Kosten nicht decken und machen Verluste.
  • Beim Einkaufen können Sie selten erkennen, wie viel vom Milchverkaufspreis bei den Erzeugerbetrieben ankommt.
  • Wir haben verglichen, welche Preise die in NRW angebotenen "fairen Milchmarken" bezahlen.
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Was heißt Fair?

Der Begriff "Fair" bzw. „Faire Milch“ ist nicht gesetzlich geschützt, sondern basiert auf Kriterien der jeweiligen Molkerei oder Handelsunternehmen. Anders als beim Fairen Handel geht es bei der fairen Milch in erster Linie um eine über den üblichen Marktpreis liegende Vergütung der Milchbauern. Manchmal sind an die Milchproduktion besondere Anforderungen wie etwa Gentechnik-Freiheit oder Kraftfutterbeschränkungen geknüpft. Die Idee der "fairen Milch" ist positiv zu bewerten, da der Preisaufschlag vor allem in Zeiten von niedrigen Milchpreisen die Landwirte unterstützt.

Vom Auszahlungspreis zum Verbraucherpreis

Rund 53.700 Milchbetriebe mit ca. 4 Millionen Milchkühen produzieren in Deutschland Milch. Die Landwirt:innen verkaufen ihre Milch an die Molkereien. Diese vertreiben die fertige Trinkmilch an den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Der LEH schlägt eine Kosten- und Gewinnmarge auf, daraus ergibt sich der Verkaufspreis in Supermärkten und Discountern.

Der intensive Wettbewerb im LEH und das relativ große Milchangebot auf dem Markt führen zu stark schwankenden Milchpreisen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Milchpreise mehrfach so stark gesunken, dass die Milchbetriebe kaum ihre Kosten decken konnten. Seit 2020 erhöhen sich die Erzeugungskosten der Milch wegen steigenden Energie- und Düngemittelpreisen. Damit steigen auch die Verbraucherpreise für die Milch im Handel. Und nach einem historischen Hoch bei den Milcherzeugerpreisen Ende 2022, sind die Preise seither wieder auf dem Sinkflug.

Wegen zu niedriger und nicht kostendeckender Preise haben seit dem Jahr 2000 rund 85.000 Betriebe aufgegeben. Das geht nicht nur auf die Milchpreise zurück, sondern auch darauf, dass Milchbauern wenig Chancen haben steigende Kosten über den Milchpreis weiterzugeben oder andere Abnehmer zu finden. Denn letztlich werden die Milchpreise sehr stark von den Einkäufern des Handels über die Molkereien mitbestimmt.

Das Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft hat für die Jahre 2015-2019 berechnet, dass zwischen Produktionskosten und Auszahlungspreis – egal ob für konventionelle oder Bio-Milch – 25 Prozent Verlust blieben. Auch, weil seit einigen Jahren die Produktionskosten für Milch durch höhere Preise für Dünge- und Futtermittel, Energie sowie Klima- und Tierwohlmaßnahmen steigen. Wie hoch die Produktionskosten für die Milch sind, hängt auch vom Betrieb, Standort und den Bedingungen vor Ort ab.

Die Bio-Milchproduktion ist wegen ökologischer Anforderungen und Tierwohl-Standards teurer als die Produktion konventioneller Milch. Die Verbände Bioland und Naturland haben einen Preis für Biomilch errechnet, an dem sich die Molkereien und der Handel orientieren sollen. Danach ist derzeit 67 Cent pro kg Bio-Rohmilch ein vollkostendeckender Preis und könnte eine unverbindliche Preisempfehlung für Molkereien und Handel sein.

Viele Verbraucher:innen wollen faire Preise für die Milcherzeuger:innen zahlen, wenn diese auch tatsächlich dort ankommen. In den Supermärkten und Discountern in NRW gibt es verschiedene Milchangebote, die mit einem zusätzlichen Aufpreis bzw. Erlös für die Landwirt:innen werben. Wir haben verglichen, was hinter diesen Angeboten steckt. Die angegebenen Erzeugerpreise sind Nettopreise, also ohne landwirtschaftliche Vorsteuer, die aktuell 9 Prozent beträgt.

Faire Milch im Handel

Wie sich der Verkaufspreis der Milch zusammensetzt, ist meist ziemlich undurchsichtig. Es ist für Sie beim Einkaufen kaum nachzuvollziehen, wie viel vom Mehrpreis der fairen Milch tatsächlich bei den einzelnen Erzeuger:innen ankommt. Denn es gibt kaum Auskunft darüber, wie viel Geld an die Milchhöfe gezahlt wird. Positiv heben sich mit mehr Informationen die Bio-Milch der Verbrauchermarke "Du bist hier der Chef", die Molkerei Schwarzwaldmilch und die Bergbauernmilch des Berchtesgadener Lands hervor.

sternenfair

Die konventionellen H-Milch und Milchprodukte von "sternenfair" werden in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NRW angeboten. Die Milcherzeuger:innen erhalten hier 50 Cent pro Kilogramm Milch (August 2023). Stiftung Warentest urteilt, dass Aufschläge gut belegt und rückverfolgbar seien. Allerdings wird nur ein Teil der Milch, die Vertragspartner:innen an die Molkerei liefern, als "sternenfair" vermarktet.

Die Faire Milch

Die Faire Milch ist ein Projekt des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM). Im August 2023 kalkuliert der BDM pro Liter konventioneller Milch einen Grundpreis von 47 Cent fest. Bei Bio-Weidemilch werden nach eigenen Angaben 60 Cent pro Liter gezahlt (August 2023). Dieser Grundpreis richtet sich nach den aktuellen Milcherzeugungskosten, dem Milch-Marker-Index (MMI) (siehe unten). Laut Stiftung Warentest ist die Auszahlung jedoch nur lückenhaft rückverfolgbar. Hofbetreiber:innen werden nicht nach verkaufter Menge bezahlt, sondern erhalten eine Gewinnausschüttung auf ihre Genossenschaftsanteile.

Berchtesgadener Land

Von ca. 1.800 Milchviehhalter:innen aus der südbayerischen Berg- und Alpenregion stammt die Milch von Berchtesgadener Land. Die Molkerei Berchtesgadener Land zahlt im bisherigen Jahresdurchschnitt 2023 (Jan-Juli 2023) folgende Milchpreise an die Milcherzeuger:innen 52,40 Cent netto pro Kilogramm konventioneller Milch, 53,40 Cent netto pro Kilogramm Bergbauern-Milch, 57,47 Cent netto pro Kilogramm Bio-Naturland-Milch, sowie 59,32 Cent netto für ein Kilogramm Bio-Demeter-Milch.

"Du bist hier der Chef"

Mehr als 9.300 Verbraucher:innen hatten vor dem Start der Milch über Qualität, Regionalität, Tierwohl, Verpackung und Vergütung für die Milchbauern abgestimmt. Die Bio-Milch kostet 1,59 Euro und der Preis setzt sich wie folgt zusammen (August 2023):

  • 0,63 Euro an die Landwirte
  • 0,78 Euro für Molkerei, Verpackung, Logistik und Handel
  • 0,08 Euro an "Du bist hier der Chef"
  • 0,10 Euro an Mehrwertsteuer.

Die Landwirt:innen bekommen also eine Vergütung von 63 Cent pro Kilogramm. Wenn notwendig stimmen die derzeit mehr als tausend Vereinsmitglieder über eine Erhöhung der Auszahlungspreise ab. Die unverbindliche Preisempfehlung von 1,59 Euro ist auf der Verpackung aufgedruckt, damit der Handel möglichst keinen höheren Preis festsetzt.

Ein Herz für Erzeuger

Einen anderen Ansatz verfolgt Netto mit seiner Marke "Ein Herz für Erzeuger". Seit 2008 werden konventionelle Milch sowie Emmentaler Käse und Mozzarella mit einem Preisaufschlag von 10 Cent pro Packung angeboten. Was Sie beim Einkauf nicht erkennen können: Die Werbung suggeriert, dass die Milcherzeuger:innen einen Aufschlag von 10 Cent bekommen. Die Höhe des Aufschlags richtet sich jedoch nach dem Umsatzanteil der Milch "Ein Herz für Erzeuger" am gesamten Milchumsatz von Netto. Beträgt er 10 Prozent, erhalten die Milchbetriebe ca. 1 Cent zusätzlich. Nur wenn die gesamte Milch bei Netto als "Ein Herz für Erzeuger"-Milch verkauft werden würde, erhielte jeder Milchbetrieb 10 Cent pro Liter.

Der Milch-Marker-Index

Der Milch-Marker-Index (MMI) stellt die tatsächlichen und aktuellen Milcherzeugungskosten in der konventionellen und ökologischen Milcherzeugung unter Einbeziehung eines angemessenen Einkommensansatzes dar. Der MMI ist von daher geeignet, um sich ein Bild von einem fairen Auszahlungspreis zu machen. Er liefert quartalsweise einen aktuellen Vergleichswert. Allgemein gilt: Je näher der Auszahlungspreis an den Milcherzeugungskosten liegt, desto besser.

Im Jahresvergleich sind die Erzeugungskosten für konventionelle Milch im laufenden Jahr bis April 2023 leicht zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Milchpreis gesunken, so dass nach Berechnungen des MMI ca. drei Prozent der Kosten nicht gedeckt werden können. Für Bio-Milch liegen nur Daten aus 2020/21 des Bio MMI vor, die aber nicht mehr gültig sind. 

Fazit und Tipps

Durch die starke Erhöhung der Milchpreise können zumindest konventionelle Milchbetriebe ihre Kosten der Milchproduktion decken. Bei vielen Biobetrieben wird das nicht der Fall sein, da bei der Biomilch nicht im gleichen Maße Preiserhöhungen erfolgt sind, wie bei konventioneller Milch. Zwischenzeitlich war vereinzelt Biomilch im Supermarkt sogar günstiger als konventionelle Milch.

Das Angebot "Faire Milch" hilft mit jedem Cent den Milcherzeuger:innen. Es zeigt sich jedoch, dass man auch die als "fair" ausgelobten Milchangebote vergleichen sollte. In der Regel wird tatsächlich ein etwas höherer Milchpreis als bei anderen Milchmarken gezahlt. Die meisten Marken decken in Zeiten niedriger Milchpreise nicht die Kosten der Milchbetriebe. Ein wirklich fairer Preis ist erst ab einem Aufschlag erreicht, der die Kosten der Milcherzeugung und die Investionen für den Betrieb decken. Schauen Sie auf den Internetseiten der Anbieter, dort finden Sie bei einigen weitere Informationen zu den Milchauszahlungspreisen.

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